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Warum die Bayern der Liga einen Bärendienst erweisen

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Wissen sie, was sie tun? (Foto: Adam Pretty - Getty Images)

Die Nacht-und-Nebel-Aktion, mit der Bayern München die Trennung von Julian Nagelsmann vollzogen und Thomas Tuchel inthronisiert hat, wirft viele Fragen auf. Was die Münchener geritten hat, ist unklar. Geschadet haben sie damit auf jeden Fall dem Fußball.

Es war ein Paukenschlag, als die Bayern in der letzten Länderspielpause die Trennung von Julian Nagelsmann bekannt gaben. Wohlgemerkt dem Trainer, für den man vor anderthalb Jahren 25 Millionen Euro bezahlt hat und mit dem man die Zukunft gestalten wollte. Einem Trainer, der im letzten Jahr die Meisterschaft geholt hat und der in diesem Jahr mit seiner Mannschaft sowohl im nationalen Pokal als auch in der Champions League überzeugte. Zuletzt setzten sich die Münchener unter Nagelsmanns Leitung gegen das vor Geld und Superstars nur so strotzende Paris St. German durch. 

Allein in der Liga gab es ein paar Dellen, die das Ziel Meisterschaft aber keineswegs ernsthaft gefährdeten. Nagelsmann wurde als Tabellenzweiter entlassen und das vor dem Spiel gegen den Möchtegernkonkurrenten aus Dortmund, der sich mit einer eher zufälligen Siegesserie kurzzeitig an die Tabellenspitze geschoben hatte. Dass Nagelsmann hier die Verhältnisse wieder hätte zurechtrücken können, war eigentlich eine ausgemachte Sache.

Doch es kam anders. Die Bayern sahen ihre Saisonziele akut gefährdet, setzten Nagelsmann über Nacht vor die Tür und stellten sich dabei so stümperhaft an, dass die Öffentlichkeit vor Nagelsmann selbst von der Entlassung erfuhr. Die Kommunikation der Münchener, namentlich Oliver Kahn und Hasan „Brazzo“ Salihamidžić, war absurd amateurhaft. Schlüssig waren die Erklärungsversuche nicht und alles hörte sich an, als ob sich die Bayern zu einer Panikaktion haben hinreißen lassen. 

Dabei mag es ja sein, dass sich die sportliche Leitung mehr vom Trainer Julian Nagelsmann versprochen hat. Die naheliegende Lösung wäre gewesen, sich nach Ablauf der Saison im Anschluss an ein ‚Zukunftsgespräch‘ einvernehmlich zu trennen. Man hätte bereits jetzt mit Wunschtrainer Thomas Tuchel alles in trockene Tücher bringen und mit dem Ex-Dortmunder im Sommer einen Neustart ausrufen können. Tuchel selbst hat zugegeben, dass er völlig überrascht gewesen sei, dass die Bayern ihn sofort engagieren wollten.

Ob die Bayern jetzt mit Tuchel mehr erreichen als mit Nagelsmann, wird sich nicht klären lassen. Gegen Dortmund gewann der FCB unter Tuchel, gegen Freiburg verabschiedete er sich aus dem DFB-Pokal. Weder das eine noch das andere dürften ursächlich mit Tuchel zusammenhängen, der allenfalls marginale Änderungen vorgenommen hat. Es ist keine steile These zu behaupten, dass die Mannschaft unter Nagelsmann genauso gut oder schlecht gespielt hätte. 

Ob die Bayern nun mit ihrem 'Trainer-Hopping' glücklich werden, ist letztlich ihr Problem. Aber sie haben mit dieser Aktion der Liga einen Bärendienst erwiesen. Zum einen, weil sie sich als Aushängeschild des deutschen Fußballs dermaßen provinziell und unlogisch verhalten haben. Zum anderen, weil sie damit deutlich gemacht haben, dass selbst relativ erfolgreiche Trainer keine Zeit bekommen, sich und ihre Mannschaft zu entwickeln. Stattdessen wird alles dem kurzfristigen Erfolg geopfert – auch ein 25-Millionen-Trainer.  Dass sich immer weniger Fans noch wirklich mit ihrem Verein identifizieren können, muss angesichts solcher Praktiken niemanden verwundern.

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