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Verlängerung mit Nagelsmann vor der EM: Ein Zeichen, aber auch ein Risiko

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Julian Nagelsmann (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Nach Rudi Völler als Sportdirektor hat nun auch Bundestrainer Julian Nagelsmann seinen Vertrag beim DFB vorzeitig verlängert. Damit herrscht auf absehbare Zeit Klarheit im deutschen Fußball. Die Verlängerung ist ein Zeichen, aber birgt auch ein Risiko.

Vor einigen Tagen gab der DFB nicht ohne Stolz bekannt, dass man den Vertrag mit Bundestrainer Nagelsmann noch vor der Fußball-Europameisterschaft um zwei weitere Jahre verlängert hat. Der Kontrakt von Nagelsmann läuft nun bis zum Abschluss der WM 2026, die in den USA, Kanada und Mexiko stattfindet. 

Ursprünglich war angedacht, dass Nagelsmann das Amt nur bis zum EM-Turnier als Übergangslösung ausüben sollte. Doch nun wird daraus eine langfristige Angelegenheit. In der Öffentlichkeit wurde die Verlängerung größtenteils positiv aufgenommen, herrscht doch mittlerweile in Bezug auf die Nationalmannschaft eine ausgesprochen wertschätzende Stimmung. Bei den EM Tipps gehört Deutschland inzwischen zu den Mitfavoriten und die Vorfreude auf das Turnier im eigenen Land ist groß.

Es waren nur zwei Testspiele

Ob die Euphorie berechtigt ist, wird sich allerdings erst zeigen. Ohne Frage hat Nagelsmann mit seiner Mannschaft in den beiden Testspielen in Frankreich und gegen die Niederlande ein positives Zeichen gesetzt und die so arg frustrierten Fußballfans in Deutschland ‘angezündet’. Die Art und Weise, wie das Team dort aufgetreten ist, macht tatsächlich Hoffnung auf ein gelungenes Turnier. Andererseits waren es eben auch nur zwei Testspiele, die für diesen kompletten Stimmungsumschwung verantwortlich sind. 

Das merken auch die Kritiker an, die sich an der vorzeitigen Vertragsverlängerung mit Nagelmann stören. Der finanziell nicht auf Rosen gebettete DFB lässt sich den Bundestrainer eine Stange Geld kosten und geht zumindest insoweit ein gewisses Risiko ein. Auch die Tatsache, dass Vertragsverlängerungen mit Nationaltrainern vor einem Turnier zuletzt gewaltig in die Hose gegangen sind, sind ein Argument. Mit Martina Voll-Tecklenburg wurde kurz vor der Pleite-WM in Australien und Neuseeland verlängert, die Laufzeit von Jogi Löws Kontrakt vor der ebenfalls enttäuschenden WM 2018 in Russland wurde ohne Not ebenfalls vorzeitig ausgedehnt.

DFB setzt auf die Karte “erfolgreiche EM”

Auf den DFB könnte neben den finanziellen Dingen also auch das Problem zukommen, im Falle eines schlechten Abschneidens bei der EM die Personalie Nagelsmann moderieren zu müssen. Insoweit kann man schon sagen, dass der Verband mit der Verlängerung mit Nagelsmann ein fast schon ‘all in’ geht und fast alles auf die Karte ‘erfolgreiche EM’ setzt. 

Aus rein sportlicher Sicht dürfte es aber ein Vorteil sein, dass nun Klarheit herrscht und die Zukunft von Nagelsmann nicht mehr über der Vorbereitung und dem Turnier selbst schwebt. Unter dem Aspekt, dass der Bundestrainer keine Projektlösung ist, sondern längerfristig das Sagen haben wird, erhalten auch dessen Personalentscheidungen eine andere Gewichtung. Es geht halt nicht mehr ‘nur’ um die Europameisterschaft, sondern auch um die Weltmeisterschaft in zwei Jahren. 

Nagelsmann ist entscheidungsfreudig

Insoweit ist Julian Nagelsmann nun zum bestimmenden Mann im deutschen Fußball geworden. Dass er entscheidungsfreudig ist und sich vor allem nicht von eingefahrenen Konventionen stören lässt, hat der 36-Jährige spätestens mit den Nominierungen für die beiden letzten Länderspiele unter Beweis gestellt. Die Rückholaktion von Toni Kroos spricht genauso eine klare Sprache, wie die Nominierung formstarker Spieler für die jeweiligen Positionen - unabhängig vom Verein, in dem sie spielen. 

In Dortmund hat Nagelsmann manchen vor den Kopf gestoßen und auch sein Ex-Klub Bayern blieb nicht verschont. Der Automatismus, dass der Bundestrainer Spieler nominiert, weil sie in diesen Klubs spielen, aber er sie eigentlich nicht wirklich gebrauchen kann, hat sich erledigt. Und wenn Nagelsmann nicht überdreht, kann er mit seiner Auswahl wirklich etwas bewegen. In einem Turnier kann man nur etwas erreichen, wenn alle eng zusammenrücken und sich komplett der gemeinsamen Sache unterordnen.

Die Spieler werden das Vertrauen zurückzahlen wollen

Nagelsmann hat mit seinen Nominierungen einen Grundstein gelegt. Die Spieler, denen er das Vertrauen schenkt, werden dieses zurückzahlen wollen und wenn der Trainer es schafft, sie so triggern, dass sie füreinander durchs Feuer gehen, dann ist tatsächlich etwas möglich bei dieser Heim-EM. Denn individuelle Qualität ist in Deutschland nach wie vor ausreichend vorhanden. Sie muss nur in einer funktionierenden Mannschaft gebündelt werden. Und dazu könnte Julian Nagelsmann in der Lage sein. 

 

von Redaktion TORfabrik.de

 

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