Aus im Halbfinale

Eine EM zum Vergessen

Created by von Marc Basten
Eine Quälerei (Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty Images)

Eine Quälerei (Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty Images)

Deutschland verliert im Halbfinale gegen Frankreich. Nicht wirklich verdient, aber irgendwie passte es, dass Frankreich es schaffte, den deutschen Fußballmotor durchdrehen zu lassen. Ein Spiegelbild dieser EM zum Vergessen.

Noch ein Spiel, dann ist diese eigenartige Europameisterschaft endlich vorbei. Fügt sich das Finale zwischen Frankreich und Portugal ins Bild dieses Turniers, dann wird es am Sonntagabend kaum eine bessere Einschlafhilfe geben. Vier Wochen wird in Frankreich Fußball gespielt, doch echte Begeisterung aufgrund der sportlichen Darbietungen kam ganz wenig auf.

Zum einen waren da die überspielten Stars, die mit Ausnahme von Gareth Bale körperlich ausgelaugt daherkamen. Sogar Frankreichs ‚Held‘ Antoine Griezmann war so leer, dass selbst die Freude über seine Tore eher gequält wirkte.

Zum anderen hat sich bei der EM das ‚Prinzip Atlético Madrid‘ endgültig durchgesetzt. Es ist hoffähig geworden, dass sich nicht nur die kleinen und minderbemittelten Teams hinten reinstellen und roboterhaft ihren Zermürbungsfußball spielen. Portugal quälte sich (und die Zuschauer) so ins Finale und selbst Gastgeber Frankreich beendete nach 10 Minuten Pressing gegen Deutschland jegliche Eigeninitiative.

Der Löw-Truppe fehlten Flexibilität und der letzte Punch

Das kann man als taktisch klug bezeichnen und wer gewinnt, hat ohnehin alle Argumente auf seiner Seite. Der nicht nur ergebnisfixierte Zuschauer kann diesem Fußball allerdings nicht viel abgewinnen. Die angreifende Mannschaft auf der Suche nach der Lücke, die jedoch nicht voll ins Risiko gehen kann, weil sonst der Konter droht. Die verteidigende Mannschaft, die endlos verschiebt, blockt und auf eben diese Konter lauert. Das ist auf beiden Seiten höchst anspruchsvoll, aber ziemlich langweilig anzuschauen.

Die DFB-Elf ist insoweit schon zu loben, dass ihr Spiel aktiv war und sie die Initiative ergriffen hat. Doch sie hat sich sowohl gegen Italien, als auch gegen Frankreich, die Zähne ausgebissen. 210 Minuten Ballbesitzfußball führten zu einem mickrigen Tor. Natürlich machten es die Italiener und Franzosen defensiv wirklich gut, doch genauso fehlten der Löw-Truppe Flexibilität und der letzte Punch.

Ein trockener Vollstrecker wurde vermisst, ebenso die Inspiration von den Flügeln. Hier ist insbesondere die Rolle der Außenverteidiger Hector und Kimmich zu hinterfragen. Beide rückten extrem auf, produzierten aber nur halbgare Hereingaben und nutzlose Flanken aus dem Halbfeld. Gleichzeitig öffneten sie Räume für Konter, was zum einen die defensiven Mittelfeldspieler immer wieder zu Aushilfsaktionen nötigte, zum anderen die beiden Innenverteidiger aus der Ordnung riss.

Individuelle Fehler und mangelnde Durchschlagskraft

Das Risiko stand in keinem Verhältnis zum Nutzen, den das deutsche Offensivspiel durch Hector und Kimmich hatte. Dass beide bei ihrer nominellen Hauptaufgabe patzten, passt ins Bild. Hector verursachte völlig unnötig die Ecke vor dem Elfmeter, Kimmich verdaddelte den Ball vor dem Knockout zum 0:2. Kann passieren, darf es aber in einem EM-Halbfinale nicht.

Das deutsche Spiel krankte aber auch an der fehlenden Unberechenbarkeit vorne. Kroos ist ein toller Stratege, aber mangels Läufe in die Tiefe der Mitspieler wurde er zum Querpasskönig. Özil bringt alles mit, doch er will den Ball ins Tor tragen, anstatt mal humorlos abzuschließen. Mutig in Dribblings gehen, es immer wieder zu versuchen und die Gegner zu Fehlern zwingen – das bekamen die Deutschen zu selten hin. In der ersten Halbzeit gab es 15 – 20 Minuten, in denen sie den Druck aufrecht hielten und es nur eine Frage der Zeit schien, bis Frankreichs Beton durchlässig wurde. Doch nach der Pause kamen sie nicht mehr in den ‚Flow‘ dieser starken Phase.

Natürlich fehlte diesmal auch das ‚Turnierglück‘. Die blöden Handelfmeter, die Sperre von Hummels, die Verletzungen von Khedira und Gomez. Dazu das große Wagnis mit einem vor und während dem Turnier deutlich angeschlagenen Boateng und einem Schweinsteiger ohne Spielpraxis. Viele Problempunkte (wie den überspielten Müller) – und dennoch blieben viele Spieler aus dem Aufgebot fast vollständig außen vor. Insoweit muss sicherlich auch die Personalauswahl von Löw hinterfragt werden.

Doch es ist wie es ist: Deutschland hat durch individuelle Fehler und mangelnde Durchschlagskraft vor dem gegnerischen Tor das Halbfinale verloren. Die Franzosen stehen verdient im Endspiel, weil sie weniger Fehler gemacht haben. Und die EM ist und war ein Turnier, das man schnell vergessen kann.

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