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Borussias Problem ist die Kaderbesetzung

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Die Balance bei Borussia stimmt weiterhin nicht (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Führt der angestrebte Umbruch bei Borussia Mönchengladbach in eine Sackgasse? Die nackten Zahlen sprechen dafür, denn Borussia punktet wie ein Abstiegskandidat und selbst der so pragmatische Gerardo Seoane scheint daran zu verzweifeln, diese Mannschaft in die Balance zu bringen. Das große Problem ist die Kaderbesetzung.

Konnte man sich zu Beginn der Saison nach schwächeren Leistungen stets auf den ‘Umbruch’ berufen und um Geduld ersuchen, hat sich dieses Argument nach nunmehr 21 Spieltagen abgenutzt und kann nicht mehr als Erklärung für alles herhalten. Die nackten Zahlen sprechen dafür, dass der angedachte Umbruch in eine Sackgasse führt. Borussia hat nach 21 Spieltagen 22 Punkte auf dem Konto und das ist die Bilanz eines Abstiegskandidaten. 

Nur aufgrund der in diesem Jahr ungewöhnlichen Punkteverteilung in der Liga haben die Borussen noch ein kleines Polster auf die Abstiegsränge. Aber auch unabhängig von den Resultaten erweckt es vermehrt den Eindruck, als ob die angestrebte Weiterentwicklung bereits im frühen Stadium zum Erliegen gekommen ist. Es ist zwar weiterhin richtig, dass nicht alles gleich auf Knopfdruck funktionieren kann, doch mit jedem Spieltag werden die Zweifel größer, dass überhaupt etwas aufgebaut und entwickelt wird.

Alles andere als eine junge und unerfahrene Mannschaft

Immerhin haben sich Borussias Verantwortliche vom Narrativ verabschiedet, von einer ‘jungen Mannschaft’ zu sprechen. Gegen Darmstadt standen Nicolas (26), Elvedi (27), Itakura (27), Wöber (26), Weigl (28), Honorat (27), Neuhaus (26), Jordan (27) und Hack (25) in der Startelf. Das sind keine Nachwuchsspieler bei ihren ersten Gehversuchen im Profifußball, sondern alles Spieler im sogenannten besten Alter, die jetzt nahe dem absoluten Leistungs-Peak sein müssten. 

Natürlich ist es auch nicht förderlich, dass Borussia in dieser Saison mit vielen Verletzungsproblemen zu kämpfen hat. Andererseits wären dann wohl auch die wenigen wirklichen Weiterentwicklungen durch Nicolas und Reitz nicht möglich gewesen. Aber auch bei den Verletzungen muss man differenzieren. Stumpfe Verletzungen im Spiel oder Training sind oftmals Pech, die vergleichsweise hohe Anzahl an Muskelverletzungen angesichts der moderaten Wettkampfbelastung jedoch nicht. 

Eine irrwitzige Flut an einfachen Gegentoren

Hinsichtlich einer fußballerischen Identität oder Spielphilosophie ist Borussia nicht viel weitergekommen. Gerardo Seoane ist vor allem damit beschäftigt, mit viel Pragmatismus die großen Problemfelder anzugehen. Fehlende Grundaggressivität, kollektiv schwaches Abwehrverhalten und eine irrwitzige Flut an einfachen Gegentoren haben den Trainer gefordert. Mittlerweile verteidigen die Borussen zwar besser, aber dafür ist man nun fußballerisch ziemlich verloren. Die richtige Balance hat Seoane weiterhin nicht gefunden. 

Das führt zum Kernproblem von Borussia Mönchengladbach - der Kaderbesetzung. Dass nicht jede Position optimal mit einem Topspieler besetzt sein kann, ist klar. Aber bei Borussia passt vieles nicht übereinander. Es ist etwa nicht möglich, eine Viererabwehrkette mit zwei defensivstarken Außenverteidigern spielen zu lassen. Auf rechts war man durch den Ausfall von Stefan Lainer lange unterbesetzt und Joe Scally allein war überfordert, musste aber mangels Alternativen durchgeschleppt werden. 

Ohne Linksverteidiger durch die Saison

Auf der linken Seite sieht es noch schlechter aus, weil Borussia quasi ohne Linksverteidiger in die Saison gegangen ist und auch in der Wintertranfserperiode nicht nachgelegt hat. Allein auf Luca Netz zu setzen, ist grob fahrlässig. Zwar hat sich Netz im Defensivverhalten verbessert, aber das reicht längst nicht, um als ‘echter’ Linksverteidiger in einer Viererkette seinen Mann zu stehen. Auch deshalb dürfte die Formation mit Dreierkette von Seoane bevorzugt werden, weil Netz als Schienenspieler durch den zusätzlichen Innenverteidiger mehr Rückendeckung erhält. 

Im hinteren Mittelfeld haben Borussias Kaderplaner die Baustelle ‘defensiver Sechser’ weiterhin nicht geschlossen. Ob Hütter, Farke oder jetzt Seoane - alle Trainer wünschten oder wünschen sich einen aggressiven Mann vor der Abwehr, der den Laden zusammenhält und auch mal richtig dazwischenfunkt, wenn es nötig ist. Doch stattdessen hat Borussia fürs Mittelfeld Julian Weigl fest verpflichtet. 

Es wäre sinnvoller, wenn Weigl seine wirklichen Qualitäten einbringen könnte

Das war nun grundsätzlich keine falsche Entscheidung, weil Weigl mit seinen Fähigkeiten für eine Mannschaft sehr wertvoll sein kann. Aktuell schwärmt ganz Fußballdeutschland von Granit Xhaka, der in Leverkusen den Rhythmus vorgibt und mit seinem 360-Grad-Blick und seiner Passgenauigkeit brilliert. Julian Weigl galt auch mal als Passmaschine mit einem besonderen Gefühl für den Raum. Doch in dieser Saison sieht man davon wenig, weil sich die Rolle von Weigl gezwungenermaßen verändert hat. 

Statt er neben einem defensiv abräumenden Sechser die Bälle verteilen kann, wurde Weigl mehr oder weniger zum Abräumer vor der Abwehr umgeschult. Seitdem gehören Grätschen, Löcher zulaufen und in der Abwehrkette Brände löschen zu seinen Hauptaufgaben. Als Kapitän macht er das mit viel Leidenschaft und es ist bemerkenswert, dass er sich selbstlos in den Dienst der Mannschaft stellt. Dennoch wäre es viel sinnvoller, wenn Weigl seine wirklichen Qualitäten einbringen könnte. 

Honorat wird geopfert - Der Problemfall Neuhaus

Das gilt auch für Franck Honorat, der mit seiner Technik, dem Tempo und dem feinen rechten Fuß ein hervorragender Neuzugang ist. Doch in dieser Mannschaft rennt er sich als Schienenspieler die Lunge aus dem Leib, weil er so tief verteidigen muss. Wenn sich Honorat als Rechtsverteidiger in einer Fünferkette aufreibt, bleibt auf dem Weg nach vorne logischerweise einiges auf der Strecke. Genauso wie bei Weigl muss man es Honorat hoch anrechnen, dass er sich für die Mannschaft ‘opfert’. Gescheiter wäre es aber, wenn der Franzose das spielen könnte, wofür er geholt wurde. 

Mit Florian Neuhaus verlängerte man in der Sommerpause und beide Seiten sprachen offensiv davon, dass Neuhaus den nächsten Schritt hin zum Führungsspieler machen wolle. Doch schon die Frage, wo und wie Neuhaus eigentlich eingesetzt werden soll, konnte nicht beantwortet werden. Als Zehner war er nicht effektiv genug, als Achter fehlt ihm die notwendige Stabilität im Zweikampf. Glück für Borussia, dass ungeplant Rocco Reitz auf der Bildfläche erschien und das einbringt, was Neuhaus fehlt. Dennoch bleibt die Frage, wie es mit Neuhaus und Borussia weitergehen kann. 

Plea fehlt ein Partner - Koné kein Thema für die Zukunft

Auch im Sturm gibt es Diskrepanzen, weil Jordan und Čvančara beide sehr verletzungsanfällig sind. Zudem sind sie zwar auf dem Papier ‘klassische’ Stoßtürmer, doch werden sie trotz eigentlich guter Flankengeber wie Honorat in der ‘Box’ zu selten gefüttert. Alassane Plea ist Borussias Spielmacher und mit Abstand der beste Fußballer, aber ihm fehlt oftmals der Partner, mit dem er kombinieren kann. Honorat könnte einer sein, doch der hat wie erwähnt oft andere Aufgaben. 

Des Weiteren ist Manu Koné in Bezug auf die Neuausrichtung kein nachhaltiger Faktor. Den Schritt zu einem wirklich herausragenden und bestimmenden Spieler hat er trotz vielversprechender Ansätze nicht vollzogen, weil er in dieser Saison bislang körperlich nie auf der Höhe war. Um ihn herum eine Mannschaft aufzubauen, ist ohnehin kein Thema, weil er der einzige Spieler im Kader ist, der im Sommer die dringend benötigen Transfereinnahmen generieren kann. 

Lobgesänge auf die Breite des Kaders sind verstummt

Auch die zwischenzeitlichen Lobgesänge auf die Breite des Kaders sind mittlerweile verstummt. Durch die Verletzungen stieß man immer wieder an Grenzen und nachhaltig konnten sich aus der ursprünglichen ‘zweiten Reihe’ nur Rocco Reitz und Robin Hack aufdrängen. Ranos, Borges-Sanches & Co spielen keine große Rolle oder suchen woanders Spielpraxis. 

Und auch die Erfahrung von der Bank ist kein Faustpfand. Jantschke ist zwar höchst verlässlich, wenn er spielt, aber seine körperliche Verfassung ist nicht mehr ausreichend. Patrick Herrmann ist stets mit viel Herzblut bei der Sache, aber auch seine Zeit neigt sich dem Ende zu. Und mit dem Umbruch wird auch Christoph Kramer nicht mehr viel zu tun haben, auch weil er nicht der Spielertyp ist, der im Gladbacher Mittelfeld benötigt wird.

Es geht vor allem um Schadensbegrenzung

Es gibt also eine Vielzahl von Baustellen bei Borussia und die Aufzählung ist längst nicht vollständig. Den Wunsch, in dieser Saison wirklich etwas mit ganz viel Zukunftspotenzial auf den Weg zu bringen, kann man sich getrost abschminken. Vielmehr geht es aktuell vor allem um Schadensbegrenzung, damit man mit dem wackeligen Konstrukt in dieser Saison nicht wahrhaftig im Existenzkampf verstrickt wird. Die Folgen möchte man sich wirklich nicht ausmalen.

Und alsdann wird es dringend notwendig sein, den Umbruch mit Nachdruck und einem klaren Plan weiterzubetreiben. Es werden hungrige Spieler benötigt, aber auch im Verein muss man sich bewusst sein, dass man nur mit mutigen Entscheidungen vorankommen wird. Transferperioden einfach verstreichen zu lassen und weder perspektivisch noch kurzfristig (es waren interessante Leihspieler auf dem Markt) etwas zu verändern, ist genau das Gegenteil von mutigen Entscheidungen.

 

 


von Marc Basten
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