Bei Nacht und Nebel

Ach Werder ...

Created by von Marc Basten
Geflogen bei Nacht und Nebel (Photo by_Maja Hitij / Bongarts Getty Images)

Geflogen bei Nacht und Nebel (Photo by_Maja Hitij / Bongarts Getty Images)

Werder Bremen lässt sich in Gladbach 45 Minuten lang an die Wand spielen. Am nächsten Morgen wird Trainer Viktor Skripnik gefeuert. Am dritten Spieltag. Ach Werder, was ist nur aus dir geworden?

Jahrelang galt Werder Bremen als einer der Vorzeigeklubs im Lande. Kontinuität bei den sportlich Verantwortlichen, bedächtiges Wirtschaften, neben dem Platz herrlich unaufgeregt und auf dem Spielfeld mit oftmals begeisterndem Risikofußball. Für viele Klubs, auch vor wenigen Jahren noch für Borussia Mönchengladbach, waren die Bremer ein Vorbild.

Die Zeiten haben sich geändert, und zwar grundlegend. Es ist nicht mehr viel übrig von dem, was Werder einstmals so stark und sympathisch gemacht hat. Die Talfahrt des Vereins liegt in den Jahren begründet, in denen der Klub noch im Konzert der Großen mitspielte. Die langjährigen Erfolgsgaranten Thomas Schaaf und vor allem Klaus Allofs leiteten den schleichenden Niedergang ein, als niemand an ein solches Horrorszenario denken mochte.

Doch wie so oft, auch in Bremen wurden in guten Zeiten die größten Fehler gemacht. Allofs lag nicht nur in seiner Transferpolitik immer öfter daneben, er stellte auch einen Kader zusammen, der auf Champions-Leauge-Niveau bezahlt wurde. Finanzierbar allerdings nur dann, wenn der Klub regelmäßig international spielt.

Diese Rechnung ging nicht auf, die Mannschaft stagnierte und purzelte aus den europäischen Rängen. Allofs flüchtete nach Wolfsburg, Schaaf warf später desillusioniert das Handtuch. Derweil versuchten sie an der Weser, die finanzielle Schieflage zu korrigieren. Der Kader musste von überbezahlten Mittelklasseprofis befreit und mit kleinem Budget neu aufgebaut werden.

Dieser Weg erweist sich immer noch als äußerst mühselig. Was man den Bremern hoch anrechnen muss, ist die Tatsache, dass sie sich ohne fremde Hilfe aus dem selbst eingebrockten Schlamassel befreien wollen. Sie verzichten auf windige Finanzkonstrukte oder externe Mäzene wie der Nordrivale aus Hamburg. In Bremen will man den nachhaltigen Neuaufbau.

Doch dabei gerät man sportlich an den Abgrund und mutiert mittlerweile in der einstmals so vorbildlichen Führungsetage zu einem beliebigen Chaos-Klub. Thomas Eichin, der trotz beschränkter Mittel einige echte Volltreffer für Werder landete, wurde ›geopfert‹, weil die Bremer der Einschätzung des Sportdirektors nicht folgen wollten, dass ein Festhalten an Trainer Viktor Skripnik falsch sei.

Drei Bundesligaspiele später setzt Werder Viktor Skripnik vor die Tür. Am Vorabend in Gladbach sprach der blasse Eichin-Nachfolger Frank Baumann Skripnik das Vertrauen aus, am Sonntagvormittag flog der Trainer. Entscheidungen bei Nacht und Nebel sind alles, nur nicht Werder Bremen.

Natürlich hat Skripnik Fehler gemacht, nicht zuletzt beim Spiel in Gladbach. Seine qualitativ so beschränkte Mannschaft mit einer solchen Ausrichtung ins Rennen zu schicken, kam einem Harakiri gleich. Dennoch mutet sein Rauswurf nach all den Treueschwüren zum jetzigen Zeitpunkt als reine Panikaktion an.

Bremen steht fraglos vor einer ganz schwierigen Saison, davon konnten sich am Samstag im Borussia-Park alle überzeugen. Wenn nicht ein mittleres Wunder passiert, geht der nächste Traditionsklub baden. Ach Werder ...

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