Als eher unbeachteter Nebendarsteller begann der Arbeitstag für Christoph Kramer, als gefragter und gefeierter ›Man of the Match‹ verließ er später die neblige Schalker Arena. Nach 68 Minuten löste er Tobias Strobl ab. »Der Wechsel hat Sinn gemacht, weil Schalke in Unterzahl auf Konter spielte, Tobi schon Gelb hatte und man vielleicht mal ein taktisches Foul ziehen muss«, erklärte Kramer die Umstände, warum er an diesem Abend doch noch ins Geschehen eingreifen durfte.
In der 85. Minute glückte dem 27-Jährigen der erlösende Führungstreffer. Mit rechts nahm er den Pass von Hazard, den Stindl nach Zuruf von Kramer durchließ, an und verwertete ihn mit einem sehenswerten Linksschuss. So ähnlich traf Kramer schon einmal. »Ja, das hat mich an Hannover erinnert«, bestätigte er. Vor einem Jahr gelang ihm ein vergleichbares Kunststück. »Jetzt können wir noch von Glück reden«, sagte Kramer mit einem breiten Grinsen. »Aber wenn ich noch so einen mache, dann nicht mehr.«
Für den Kollegen Matthias Ginter war die Sache klar: »Der Ball ist Chris eher versprungen, aber das wird er nicht zugeben«. »Es war ja auch kein einfacher Ball«, verteidigte Kramer sich. »Aber egal, ob er versprungen ist - am Ende zählt das Resultat.« Und das war der späte »Dosenöffner«, wie Trainer Dieter Hecking es ausdrückte.
»Es war jedenfalls ein enorm wichtiges Tor«, sagte Kramer. Der Auswärtssieg wurde gesichert, welcher auch für Kramer vollkommen verdient war. »Wir haben ein großes Selbstverständnis im Moment, das nötigt dem Gegner Respekt ab. Unser Spiel ist unheimlich facettenreich. Das Einzige, was wir noch nicht so gut können, ist hoch zu verteidigen. Sonst haben wir alles drin.«
»Ob das irgendwas aussagt fürs nächste Spiel, weiß ich nicht«
Dazu gehört auch die nötige Ruhe, trotz immer knapper werdender Zeit nicht panisch zu werden. »Dass ich aus achtzehn Metern relativ unbedrängt zum Schuss komme, ist ein Resultat davon, dass wir uns den Gegner vorher wunderbar zurechtgelegt haben.«
Für Kramer persönlich war es natürlich eine willkommene Abwechslung, etwas aus dem Schatten heraustreten zu können und mal wieder im Fokus zu stehen. Dennoch bleibt seine Situation vage. »Ob das irgendwas aussagt fürs nächste Spiel, weiß ich nicht«, erklärte er. »Wenn ich spiele, dann weiß man zumindest, was man bekommt.«
»Klar bin ich nicht zufrieden, wenn ich nicht spiele. Aber die Mannschaft hat es auch heute wieder hervorragend gemacht und ich verstehe den Trainer, dass es nicht die Notwendigkeit gibt, zu wechseln. Ich werde keinen Stunk machen, das hat auch mit dem Respekt vor jedem einzelnen zu tun. Wenn ich schlechte Laune verbreiten würde, würde ich mich selber nicht mögen.«
von Marc Basten und Jan van Leeuwen