Die Nachwirkungen von Müngersdorf

Mehr als nur eine Derby-Niederlage

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Schreckens-Derby (Foto: Dean Mouhtaropoulos / Bongarts / Getty Images)

Schreckens-Derby (Foto: Dean Mouhtaropoulos / Bongarts / Getty Images)

Die Pleite von Müngersdorf wirkt auch Tage später noch nach, mit 'Mund abwischen und weitermachen' ist es diesmal nicht getan. Es gibt vieles aufzuarbeiten, weil in Köln mehr passiert ist, als nur eine simple Derby-Niederlage.

Es gibt diese Niederlagen, die in der DNA von Borussia Mönchengladbach fest verankert sind. So wie jüngst das Ausscheiden im Pokal daheim gegen Leverkusen, als die Mannschaft nach toller Leistung unverdient als Verlierer vom Platz gehen musste. Manch einer neigt vielleicht dazu, auch das Derby vom vergangenen Wochenende in die Rubrik der 'tragischen Niederlagen' einzuordnen. Borussia war deutlich besser, ein klarer Elfmeter kurz vor Schluss wurde ihr verweigert und Köln landete einen Lucky-Punch in der 95. Minute. Einfach dumm gelaufen, tragisch typisch Borussia - abhaken und weitermachen?

Nein, denn diese Niederlage ist mehr, als nur eine simple dumme Derby-Niederlage. Borussia Mönchengladbach hat mehr verloren, als nur drei Punkte. Und damit sind nicht der Hohn und Spott gemeint, den die Gladbachfans in diesen Tagen über sich ergehen lassen müssen. Es ist nicht schwer, damit fertig zu werden, wenn man sich nicht auf das Niveau von Podolski & Co herunterziehen lässt. Viel schwerer wiegt, dass Mannschaft und Trainer am Sonntag völlig unnötig massig an Kredit verspielt haben.

Dabei war die Situation wie gemalt für Borussia. Nach der Achterbahnfahrt in der Vorrunde und einigen Irritationen raufte sich die Borussengemeinde zum Jahresende nochmals zusammen. Obwohl das Pokalspiel gegen Leverkusen verloren wurde, konnte man positiv gestimmt sein. Die engagierte Mannschaftsleistung, der geschlossene Support von den Rängen - auf dieser Basis sollte die Rückrunde mit voller Power angegangen werden.

So sah es dann auch aus. Im Vorbereitungsspiel in Mainz gingen die Borussen mit einer Bissigkeit zu Werke, die nicht nur für ein Testspiel außergewöhnlich war. Die Aussagen der Protagonisten ließen nur den Schluss zu, dass alle verstanden hatten, wie man sich in der Rückrunde präsentieren muss. »Du musst konsequent sein im eigenen Handeln, dann brauchst du nicht nach links oder rechts zu schauen«, sagte Dieter Hecking beim Trainingsauftakt.

Die Borussen mussten demnach heiß sein wie das berühmte Frittenfett. Genau richtig für das Derby, das selten unter einem günstigeren Stern stand. Was sollte der klinisch schon fast tote FC ausrichten können, wenn die Borussia mit breiter Brust und fußballerischer Klasse in Müngersdorf wirbeln würde? Ein Derbysieg hätte Signalwirkung. Für die Mannschaft, die mit Überzeugung und Rückenwind die nächsten Aufgaben angehen könnte und für die Fans, die mit dem Bonbon eines Triumphs in Köln die Mannschaft auf Händen durch die nächsten Wochen tragen würden.

Sicher, selbst in Köln gewinnt man nicht mal eben im Vorbeigehen. Doch die Kräfteverhältnisse am Sonntag waren so eindeutig verteilt, dass es nur einen Gladbacher Sieg hätte geben dürfen. Die Kölner verkrochen sich nicht von ungefähr, schafften sie es doch kaum, dreimal hintereinander den eigenen Mann anzuspielen. Aber die Borussen verstanden es nicht, aus ihrer technischen und spielerischen Überlegenheit Kapital zu schlagen. Die Ballzirkulation im 'toten Raum' sorgte dafür, dass die Kölner sich aufstellen konnten, den zaghaften Versuchen steil zu spielen und etwas zu initiieren fehlte es an Tempo und Überzeugung.

Die eigenartige Zurückhaltung legten die Borussen erst nach der Pause ab, als sie dem Rückstand hinterherlaufen mussten. Nach dem Ausgleich ließ man sich zum einen von den plötzlich erwachenden Kölnern schrecken, zum anderen fehlte zum wiederholten Male die Konsequenz im Abschluss. Angesichts der Gemengelage hätten sich die Gladbacher selbst bei einem 1:1 über die Maßen ärgern müssen. Dass man sich am Ende sogar noch das 1:2 einschenken ließ, war an Dämlichkeit kaum zu überbieten und letztlich die Quittung für die befremdliche Herangehensweise in diesem Derby.

Die dritte Auswärtsniederlage in Serie bei einem Team aus der unteren Tabellenhälfte wirft grundsätzliche Fragen auf. All die Kritikpunkte, die in der Winterpause teils wortreich mit Hinweis auf die stattlichen 28 Punkte vom Tisch gewischt wurden, stehen jetzt wieder auf der Tagesordnung. Statt Aufbruchsstimmung und Optimismus herrschen Unmut und Zweifel vor. Schon wieder muss die Mannschaft »eine Reaktion« zeigen, um die Suppe auszulöffeln, die sie sich selbst eingebrockt hat.

Dabei ist klar, dass selbst ein Kantersieg gegen Augsburg nicht das kitten würde, was in Köln kaputt gegangen ist. Ganz abgesehen davon, dass Augsburg ohnehin zu den Mannschaften gehört, gegen die man sich im 'Wischi-Waschi-Stil' vom Sonntag nicht mehr holt, als eine blutige Nase.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Borussia hat durch das leichtfertig verschenkte Derby eine richtig gute Ausgangsposition aus dem Stand ins Gegenteil verkehrt und jede Menge Kredit verspielt. Mit noch nicht absehbaren Folgen.

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