Max Eberl ist in diesen Tagen medial omnipräsent. Es darf angezweifelt werden, ob sich Borussias Sportdirektor einen Gefallen tut, wenn er über die Pflichtveranstaltungen wie Mitgliederversammlung und Pressekonferenz hinaus noch durch diverse TV-Studios tingelt. Im Rechtfertigungsmodus reibt man sich schnell auf, wenn man sich sachlich meist nur im Kreis dreht.
Alles, was zum jetzigen Zeitpunkt gesagt werden muss, wurde bereits zigfach wiederholt: Es wird eine Saison-Analyse erfolgen (die intern natürlich schon in vollem Gange ist) und es wird mit kühlem Kopf eine wie auch immer ausgeprägte Anpassung bzw. Neuausrichtung erfolgen.
Lässt man die wenig repräsentativen Krakeeler aus den sozialen Medien außen vor, so wird ein Großteil der Borussenfans Max Eberl genügend Vertrauen entgegenbringen, diese Aufgaben anzugehen. Es sei denn, es wird wie zuletzt vermehrt am eigentlichen Thema vorbei argumentiert und dabei das Kernproblem übersehen.
Eine irritierende Stagnation
Leider entsteht zunehmend der Eindruck, die Enttäuschung im Umfeld resultiere einzig daher, dass die Rückrunde so schlecht verläuft und Borussia erneut die Qualifikation für Europa verpasst. Das spielt sicher im Kontext auch eine Rolle, doch im Grundsatz geht es um etwas anderes: Seit vielen Monaten rankt über allem die unbeantwortete Frage, für welche Art von Fußball Borussia Mönchengladbach eigentlich steht.
Unter Lucien Favre gab es jahrelang eine klar definierte Spielweise, mit der sich alle identifizieren konnten. André Schubert mischte den Laden – mit einigen wirklich guten Ideen – ordentlich auf, überdrehte dabei jedoch. Dieter Hecking ordnete anschließend das entstandene Chaos mit seiner Erfahrung und brachte Borussia wieder in die Spur. Doch seitdem herrscht eine irritierende Stagnation.
Wird Borussia zum beliebigen, austauschbaren Klub?
Schon nach dem dritten Spieltag, also lange vor Verletzungsmisere, fehlendem Match-Glück, ungünstigen Schiedsrichterentscheidungen usw. schrieben wir im Artikel „Ungewöhnlich gewöhnlicher Fußball“: … stellt sich auch die Frage nach der Identität des Gladbacher Fußballs in dieser Saison. Für welchen Stil steht die Fohlenelf, welche Spielphilosophie verfolgt sie? ... Es gab Ballbesitzphasen, ein wenig Konterfußball, flügellastiges Aufbauspiel mit Flanken ohne Abnehmer, ganz seltenes Pressing und viele zufallsbasierte Einzelaktionen. Diese Mixtur stellte für die Gegner, die bei allem Respekt nicht zur Premiumklasse gehören, nur eine bedingte Herausforderung dar ...
Die Suche nach der Identität ist im Verlauf der Saison erfolglos geblieben und immer mehr wächst die Befürchtung, dass es diese Identität gar nicht gibt. Das ist die große Sorge, die viele Borussen zurecht befallen hat und die sich fürchten, dass Gladbach tatsächlich zu einem dieser beliebigen, austauschbaren Klubs wird. Würde man erkennen, dass in dieser Übergangssaison etwas heranwächst, das aber noch Zeit braucht, hätte man den Großteil der Anhänger hinter sich. So aber führt die Orientierungslosigkeit zu einer gefährlichen Unzufriedenheit auf allen Ebenen mit zig Nebenkriegsschauplätzen.
Die Konsequenzen könnten weh tun
Es macht wenig Sinn, dass Max Eberl derzeit an allen Fronten darum kämpft, den Ist-Zustand zu rechtfertigen. Viel wichtiger ist es, die vielen Erkenntnisse dieser Saison richtig einzuordnen und die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Mit aller Konsequenz - auch wenn es an der einen oder anderen Stelle ziemlich weh tun könnte. Borussia Mönchengladbach braucht kein neues Image oder Branding und muss sich auch sonst nicht komplett neu erfinden. Es geht vielmehr um die verlorengegangene fußballerische Identität, eine spürbare Leidenschaft auf dem Platz und die Leitplanken drumherum, an denen sich die Anhänger wieder orientieren können. Anders wird es nicht funktionieren.