Es ist schon erstaunlich, wie ein einziges erfolgreiches Spiel die Stimmungslage um einen Verein verändern kann. Als die Borussen vor anderthalb Wochen in München abgeschossen wurden, hagelte es berechtigterweise Kritik an allen Fronten. Borussia, so schien es, war dem Untergang geweiht.
Eine Woche später lagen sich alle in den Armen, als die nahezu identische Startelf aus dem Bayern-Spiel (lediglich Lars Stindl ersetzte nach abgelaufener Sperre Josip Drmić) den VfL Wolfsburg mit 3:0 besiegte. Als am Samstag dann auch noch Frankfurt und Leipzig patzten, wurde plötzlich sogar eine bereits zu den Akten gelegte Saison zumindest in der Theorie nochmal richtig interessant. Platz 7 ist wieder in Reichweite.
Die positive Stimmung des Wochenendes hat sich in die Woche vor dem Schalke-Spiel übertragen. Eine gewisse Befreiung ist allen Beteiligten anzumerken und nachdem die sportliche Leitung in den letzten Wochen eher aus dem Verteidigungsmodus heraus agierte, wird jetzt umgeschaltet. Dieter Hecking sprach bereits unmittelbar nach Wolfsburg davon, dass man mit Schalke noch ein paar Rechnungen offen habe. »Wir wollen dort zeigen, dass wir nicht so weit weg sind vom Tabellenzweiten, sagte Hecking.
Schalke wird eine interessante Standortbestimmung
Max Eberl legte nach und erklärte, auf Schalke gewinnen zu wollen. Gleichzeitig sieht er die Mannschaft in der Pflicht zu zeigen, was im Kader steckt. Solche Ansagen haben durchaus Kalkül, denn die eher unerwartete Gunst der Stunde soll genutzt werden. Die letzten drei Spiele können zwar die Saison nicht mehr wirklich retten, aber überzeugende Leistungen am Ende bleiben haften und würden die anstehenden ‚Umbauarbeiten‘ erleichtern.
Eigentlich ist es ganz einfach, doch gleichzeitig auch ganz schön kompliziert. Denn nach wie vor ist es nahezu unmöglich, die wahre Leistungsstärke der Borussia zu beurteilen. Zu nahe liegen die Enttäuschung von München und die durchaus überzeugende Vorstellung gegen Wolfsburg beieinander. Einerseits kann man dem Trainer folgen, er nach Wolfsburg sagt: »Wenn wir alle Mann an Bord haben, kann die Mannschaft so Fußball spielen, wie sie es heute in der ersten Halbzeit getan hat«. Andererseits stellt sich die Frage, wie viel Substanz Borussia mit der ‚kompletten Kapelle‘ wirklich hat, wenn der Gegner etwas mehr zustande bringt, als die extrem harmlosen Wolfsburger.
Schalke wird insoweit eine interessante Standortbestimmung. Dass die Königsblauen mit ihrer Art, Fußball zu spielen, auf dem Weg zur Vizemeisterschaft sind, schreckt den Fußballästheten. Gleichzeitig dürfen die Gelsenkirchener als Beispiel dafür herhalten, was man mit konsequentem Pragmatismus erreichen kann. Jedenfalls werden sich die Schalker deutlich wehrhafter präsentieren, als Wolfsburg. Die Borussen werden sich strecken müssen, um nachzuweisen, dass der letzte Freitag mehr als nur ein zufälliger Ausreißer in die richtige Richtung war.