Bittere Schlüsselmomente

Die Tragik des Scheiterns

Created by von Marc Basten, Nadine Basten und Jan van Leeuwen
Fassungslos (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Fassungslos (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Es kam vieles zusammen an diesem denkwürdigen Donnerstagabend im Borussia-Park. Am Ende jubelten die Schalker, während die Borussen fassungslos waren, ob der Ereignisse in der zweiten Halbzeit.

In jedem Fußballspiel gibt es diese Schlüsselmomente, die letztlich die Richtung und meistens auch den Ausgang bestimmen. Am Donnerstagabend im Borussia-Park gab es den ersten hiervon in der zweiten Minute der Nachspielzeit der ersten Hälfte. Mo Dahoud erzielte mit einem wunderbaren Treffer das 2:0 und damit ging in es in die Pause.

Zu diesem Zeitpunkt stand Borussia Mönchengladbach mit anderthalb Beinen im Viertelfinale, doch genau dieser vermeintliche Tiefschlag war letztlich für die Schalker Erweckung ursächlich. Denn nun gab es kein Taktieren mehr, kein Spekulieren auf eine mögliche Verlängerung. Schalke brauchte zwei Tore und blies zur Attacke.

Das war angesichts der Situation zu erwarten, dennoch wirkten die Borussen, als hätte man sie auf dem falschen Fuß erwischt. Sie verloren die Kontrolle. »Wir hatten nicht mehr die Ordnung, Schalke hat sehr viel Druck gemacht«, analysierte Dieter Hecking anschließend. »In dieser Phase haben wir es aus der Hand gegeben.«

Ein Hügel auf dem Rasen spielt Schicksal

Die Schalker nutzten die panikähnlichen Zustände vor dem Gladbacher Tor zum wichtigen Anschlusstreffer. Bei diesem zweiten Schlüsselmoment stand ihnen das ganze Glück der Fußballwelt zur Seite. Ein Platzfehler auf dem frisch verlegten Rasen sorgte dafür, dass der Ball unhaltbar über Sommer hinwegflog.

Das war schon irgendwie tragisch, wobei man konstatieren muss, dass Schalke das Glück auch erzwungen hatte. In den nächsten Minuten herrschte der Ausnahmezustand bei den Borussen, doch nach und nach schafften es die Gladbacher, die Lage etwas zu beruhigen.

Genau in dieser Phase entschloss sich ein gewisser Mark Clattenburg, seinen ganz eigenen Schlüsselmoment einzubringen. Der Engländer stand angesichts seiner Zweikampfbewertung und den persönlichen Strafen zwar nicht annähernd im Verdacht, ein Heimschiedsrichter zu sein, doch er meinte dies mit seinem absurden Elfmeterpfiff noch unterstreichen zu müssen.

»Der Elfmeter war ein Witz – ganz einfach«

Selbst die Schalker gaben nach der Partie unumwunden zu, dass Königsblau aus dem Vereinigten Königreich ein dickes Geschenk erhalten hätte. Was sie natürlich dankend annahmen.

»Es ist müßig darüber zu diskutieren«, sagte Dieter Hecking später mit einer bewundernswerten Ruhe. Die meisten Spieler verdrückten sich nach dem Spiel ohne ein Wort. Jonas Hofmann war einer der wenigen, der sich äußerte: »Ich muss mich zurückhalten, damit hier nicht noch eine Geldstrafe kriege. Aber der Elfmeter war ein Witz, ganz einfach«. Hofmann ging davon aus, dass der Schiedsrichter zunächst gar nicht pfeifen wollte. »Dann hat er sich ans Ohr gegriffen. Da hat wohl der Torlinienrichter das Spiel entschieden.«

Max Eberl, sonst in der Mixed-Zone nie um eine Stellungnahme verlegen, tauchte nach der Partie wohlweißlich nicht mehr auf. Seine Meinung zu Clattenburg und dessen Team hatte er bereits während der Partie unmissverständlich kundgetan und wurde auf die Tribüne verbannt.

Bleibende Schäden sind nicht auszuschließen

Doch auch wenn dieser dritte Schlüsselmoment der Partie am Ende die Entscheidung brachte, so wäre es zu einfach, das Gladbacher Ausscheiden auf den Platzfehler und den Elfmeterpfiff zu reduzieren. Schließlich war noch einige Zeit auf der Uhr. »Nach hinten heraus hatten wir die Möglichkeiten, zum Abschluss zu kommen und das dritte Tor zu machen«, sagte Hecking. Doch seine Mannen stellten sich dabei nicht wirklich geschickt an. »Der Punch hat gefehlt«, musste der Trainer einräumen.

»Ich mache niemandem einen Vorwurf«, sagte Hecking. »Die Mannschaft hat leidenschaftlich alles versucht, hat alles gegeben. Es ist so, im Sport gibt es bittere Enttäuschungen und heute war das so. Aber das müssen wir akzeptieren.«

Auch wenn es tief in ihm sicherlich brodelte, bewahrte Hecking die Contenance. Wohl wissend, dass alles Nachkarten am Ergebnis nichts mehr ändern wird. Vielmehr geht es nun darum, die bleibenden Schäden der Tragik des Scheiterns möglichst zu minimieren. Der Preis, den die Borussen gezahlt haben, ist schon so hoch genug: Die verletzt ausgeschiedenen Fabian Johnson und Christoph Kramer drohen länger auszufallen.

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