Krise in Gladbach

Die gleiche Leier

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Drei Punkte müssen her (Foto: Thomas Kienzle / AFP / Getty Images)

Drei Punkte müssen her (Foto: Thomas Kienzle / AFP / Getty Images)

Borussia Mönchengladbach befindet sich im Negativstrudel und mittlerweile geht es weniger um die Art und Weise des Fußballs, als vielmehr darum, den Absturz zu stoppen.

Am Sonntag ist es so weit - Borussia Dortmund ist zu Gast im Borussia-Park. Der Gedanke an das Hinspiel sorgt in Mönchengladbach noch immer für Magendrücken - mit 1:6 kamen die Fohlen Ende September im Westfalenstadion unter die Räder.

Seitdem ist einiges passiert in Dortmund. Aus Überfliegern wurden Bruchpiloten und der BVB quasi auf links gedreht. Und in Mönchengladbach? Dort erholte man sich zwar von der Klatsche, doch mittlerweile muss Dieter Hecking von Woche zu Woche »die gleiche Leier« vortragen, um die Diskrepanz zwischen eigenen Ansprüchen und Resultaten zu erklären.

Das Bedenkliche daran ist, dass sich die Schwierigkeiten zwar aktuell in einer Ergebniskrise bemerkbar machen, die grundsätzlichen Probleme aber bereits viel länger offensichtlich sind. In dem im Nachgang zu der Niederlage in Dortmund verfassten Artikel ›<link http: torfabrik.de profis borussia datum die-problem-borussia.html external-link-new-window external link in new>Die Problem-Borussia‹ vom 27. September 2017 hieß es:

Der Trend stimmt bedenklich, weil sich Borussia immer weiter von einer Spielidentität entfernt. Es stehen Individualisten auf dem Platz, die zwar jeder für sich kicken können, aber als Team nur bedingt funktionieren. Vieles basiert auf Einzel- oder Zufallsaktionen. Gemeinschaftlich tut man sich schwer - und zwar ganz egal, wie der Gegner auftritt.

Presst der hoch und aggressiv, geraten die Borussen sofort in Bedrängnis. Sie wackeln hinten und haben große Schwierigkeiten, die Pressinglinie konstruktiv zu überspielen und Ballkontrolle zu erlangen. Macht der Gegner [...] mehr nach vorne, lassen die Gladbacher sehr viele und sehr einfache Abschlüsse zu.

Gegen qualitativ hochwertige Teams [...] werden die Probleme beim gemeinsamen Verteidigen besonders offensichtlich. [...] Wenn sich ein Team hinten verschanzt [...] fehlen die Lösungsansätze. Der eigene Ballbesitz ist meist bieder und ohne Tempo, so dass die gegnerische Abwehr es nicht allzu schwer hat. Vom teilweise begeisternd enthemmten Angriffsfußball in den Heimspielen aus den ersten zehn Schubert-Monaten ist kaum etwas übrig, obwohl man fast in identischer Besetzung spielt.

Dazu kommt die Körpersprache der Spieler, die zwischen Gleichmut und Temperamentlosigkeit pendelt. Man hat nicht das Gefühl, dass da eine Mannschaft auf den Platz kommt, die dem Gegner alleine durch ihr Auftreten schon zeigt, wer Herr im Hause ist. Das wirkt derart brav, als ob es nur darum geht, in der Fair-Play-Wertung gut dazustehen.

Es ist schon erstaunlich, wie aktuell diese Sätze nach wie vor sind. Ebenfalls aus September ist der Artikel ›<link http: torfabrik.de profis borussia datum ungewoehnlich-gewoehnlicher-fussball.html external-link-new-window external link in new>Ungewöhnlich gewöhnlicher Fußball‹. Auch die dort angesprochenen Punkte sind gegenwartsnah:

Die Spielphilosophie bleibt rätselhaft. Sicher, Borussia ist offensiv aufgestellt, über die Flügel geht es oft bis zur Grundlinie, die Außenverteidiger rücken nach und überlaufen. Doch weil Flanken ohne Abnehmer wenig Sinn machen und der flache Rückpass als einzige Option relativ einfach verteidigt werden kann, verlaufen viele Angriffsversuche im Sande. Ansonsten versuchen es Raffael, Hazard oder Herrmann mit Einzelaktionen, bei denen sie die guten Wünsche der Kollegen begleiten. Doch richtige Kombinationen mit mehr als zwei beteiligten Borussen, sieht man immer seltener.

Herrmann mangelt es immer noch am letzten Zutrauen, Hazard muss erwachsener spielen, Raffael wirkt eigenartig gehemmt und Stindl fehlen definitiv die letzten 10 Prozent körperlicher und geistiger Frische, die für sein Spiel unabdingbar sind. Im Mittelfeld machen es Kramer und Zakaria als Balleroberer und -verteiler sehr ordentlich, aber beide sind nicht die Typen Spielmacher, um eine Betonformation auf Seiten des Gegners zu knacken. In Summe führte das [...] dazu, dass die Leichtigkeit im Kombinationsspiel auf der Strecke blieb und man sich keine nennenswerte Torchance erspielte.

Man muss eingestehen, dass eine wirkliche Weiterentwicklung nicht stattgefunden hat. Die relativ gute Phase im Herbst und die erklecklichen 28 Punkte zur Winterpause führten zu einer trügerischen Sicherheit.

Auch wenn nochmals betont werden muss, dass eine Trainerdiskussion - vor allem in der unsachlichen und teilweise widerwärtigen Art und Weise, wie sie auf manchen Plattformen geführt wird - nicht zielführend ist, müssen sich bei Borussia alle hinterfragen - auch Dieter Hecking.

In den vergangenen Jahren hatte kein Trainer in Gladbach so viele komplette Trainingswochen und damit Gelegenheit, an grundsätzlichen Dingen zu arbeiten. Und auch wenn die vielen Verletzten für das Trainingsniveau schädlich waren, hätte in Sachen Identitätsbildung und taktischer Flexibilität schon etwas mehr herausspringen können.

Aktuell geht es jedoch nicht mehr um die perspektivische Arbeit, sondern ganz einfach um Schadensbegrenzung. Der freie Fall in der Rückrunde muss gestoppt werden, egal mit welchen Mitteln. Es gilt zu retten, was in dieser Saison noch zu retten ist. Und dann müssen die richtigen Schlüsse gezogen werden, ohne sich Sand in die Augen zu streuen.

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