Nachdreher vom Remis gegen Mainz

»Das war in der Form so nicht zu erwarten«

Created by von Marc Basten, Nadine Basten und Jan van Leeuwen
Nach der Pause wieder Innenverteidiger - Matthias Ginter (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Nach der Pause wieder Innenverteidiger - Matthias Ginter (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Ratlosigkeit herrschte am Samstag im Borussia-Park. Das magere 1:1 gegen Mainz 05 war noch glücklich für die Fohlenelf, die nach dem gelungenen Auswärtsspiel in Hoffenheim ohne ersichtlichen Grund sehr verunsichert agierte.

Der Tag in Mönchengladbach begann vielversprechend. In der Mittagszeit strahlte die Sonne am blauen Himmel und tauchte den Borussia-Park in wunderbares Licht. Es schien alles bereitet für ein Fußballfest im goldenen Herbst. Doch schon mit Anpfiff der Partie gegen Mainz änderte sich das Ambiente. Es zogen dunkle Wolken auf und während des Spiels begann es zu regnen. Aus der erhofften Sause auf dem Rasen wurde eine ziemlich trübe Veranstaltung.

Trainer Dieter Hecking hatte seine Mannschaft nahezu unverändert gelassen gegenüber dem Auswärtssieg in Hoffenheim. Lediglich Raffael kehrte zurück, dafür rückte Hazard wieder auf die rechte Seite. Doch die vermeintlich breite Brust der Borussen wurde schnell als schmale Hühnerbrust entlarvt.

Die Mainzer zogen sich nicht ängstlich zurück, sondern liefen die Borussen hoch an. Wie schon des Öfteren zu beobachten, wirkten die Gladbacher bei einer derartigen Ausrichtung des Gegners hilflos. Entweder versuchten sie krampfhaft, hinten heraus zu kombinieren und brachten sich dabei selbst in die Bredouille, oder sie knallten den Ball planlos nach vorne. Die Mannschaft wirkte ziemlich konfus, was auch Hecking Rätsel aufgab. »Hoffenheim hat uns auch angelaufen, da hatten wir die Sicherheit. Heute war sie nicht da.«

»Wir waren gedanklich sehr langsam und haben es nicht verstanden, Kontrolle über das Spiel zu bekommen«, sagte Hecking. »Das hat schon ein bisschen nachdenklich gestimmt, weil das war in der Form nicht so zu erwarten.« Der Trainer wirkte ähnlich irritiert vom Auftritt seiner Mannschaft wie die Zuschauer. Was um alles in der Welt geht da vor, dass das Team derart instabil ist? »Das zu erklären fällt mir ehrlicherweise auch schwer«, musste Hecking zugeben.

Mainz hatte von Beginn an deutlich Oberwasser. »Unser Spielaufbau war langsam und wir haben Mainz viele Räume vor unserer Viererkette gegeben«, führte Hecking aus. Vieles von dem, was in Sinsheim vor einer Woche in gleicher Besetzung funktionierte, lief diesmal ohne Grund aus dem Ruder.

Der Führungstreffer für die Gäste war folgerichtig, wenn auch ermöglicht durch einen kapitalen Bock von Yann Sommer. Mit der Vehemenz einer Ballerina ging er im Fünfmeterraum - minimal behindert durch Muto - in Richtung Ball. Statt in seinem Hoheitsgebiet Spielgerät und Gegenspieler abzuräumen, hüpfte er nur zaghaft und kam nicht mehr heran. »Das sind schwierige Bälle«, verteidigte sich Sommer anschließend. »Ich schaue zum Ball hoch und sehe nicht, was drumherum passiert. Dann springe ich zu wenig hoch und bekomme die Fäuste nicht mehr an den Ball.«

Diese zaudernde Herangehensweise des Goalies war exemplarisch für den Auftritt der gesamten Mannschaft. Dass Borussia überhaupt noch im Spiel blieb, hatte sie dem immer skurriler anmutenden Videobeweis zu verdanken. Mainz hätte einen Elfmeter und Lars Stindl eine Rote Karte bekommen müssen, als Gbamin im Strafraum zu Fall kam. Dass der Schiedsrichter das in Echtzeit anders interpretierte, kann man nachvollziehen. Warum der Videoassistent schwieg, allerdings nicht.

Der meldete sich dann nach dem vermeintlichen 2:0 der Mainzer, das in seiner Entstehung das ganze Gladbacher Dilemma im Umkehrspiel offengelegt hatte. Doch weil dem Videoassistenten ein Foul gegen Ginter aufgefallen war, wurde dem Treffer zurecht die Anerkennung verwehrt. Dass zwischen Tor und Spielfortsetzung weit mehr als 3 Minuten lagen, war regelrecht absurd. Vor allem, weil im Stadion völlige Ratlosigkeit herrschte. Nahezu 54.000 Menschen, die teures Geld für ein Fußballspiel ausgeben, starren wie ahnungslose Idioten auf einen Schiedsrichter, der sich am Ohr herumfummelt, dann irgendwas am Bildschirm anschaut und anschließend eine spielentscheidende Entscheidung trifft. Was genau passiert ist? Der Zuschauer im Stadion bleibt komplett ahnungslos. Derweil machen sich sogenannte Experten bei den TV-Sendern einen Spaß daraus, die Schiedsrichter und Videoassistenten der Lächerlichkeit preiszugeben.

Dieter Hecking, ein absoluter Verfechter der neuen Technik, musste anschließend einräumen: »Der Videobeweis wäre gut für den Fußball, aber wir tun alles dafür, dass er nicht kommt. Ich wage die Prognose, dass er im Winter eingestampft wird.« Was zwar auch an dem (zu) aufgeregten Umgang der Öffentlichkeit mit dem Thema liegt, aber vor allem an der katastrophalen Kommunikation seitens des DFB. Die fehlende Transparenz der selbstherrlichen Regelhüter sorgt dafür, dass niemand mehr durchblickt und auch die Befürworter wie Hecking langsam aber sicher resignieren.

Während sich die Mainzer zurecht benachteiligt fühlen durften, hatten die Borussen nach der Pause die Gelegenheit zur Kurskorrektur. Hecking griff insoweit ein, als dass er Ginter und Elvedi wieder auf ihre angestammten Positionen schob und Kramer brachte. Dadurch wirkte alles etwas geordneter. »Mit viel Aufwand wurde es in der zweiten Halbzeit besser«, sagte Hecking.

Der Ausgleich durch den Kopfball von Vestergaard nach einer Ecke war nicht unverdient, doch die zweite Luft verschaffte der Treffer des Dänen seinem Team nicht. »Die Balance stimmte heute einfach nicht«, sagte Hecking. »Es wurde wieder wild, wir haben Räume hergegeben. Ich hatte das Gefühl, wenn einer das 2:1 macht, dann Mainz.«

Tatsächlich waren die Rheinhessen deutlich näher am Siegtreffer als eine letztlich sehr enttäuschende Gladbacher Mannschaft. »So wie wir heute gespielt haben, war nicht mehr möglich als dieser eine Punkt«, so Hecking. »Es hat vieles gefehlt. Das haben wir uns anders vorgestellt, aber wir müssen es heute akzeptieren.« Ein Tag, der so vielversprechend begonnen hatte, endete im trüben Novemberregen.

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