Nachdreher aus dem Borussia-Park

»Das Quäntchen Glück hart erarbeitet«

Created by von Marc Basten und Nadine Basten
Voller Einsatz - Zakaria gegen Vidal (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Voller Einsatz - Zakaria gegen Vidal (Foto: Maja Hitij / Bongarts / Getty Images)

Borussia Mönchengladbach wurde im Topspiel seiner Rolle als ›Angstgegner‹ von Bayern München gerecht und besiegte den Rekordmeister letztlich nicht unverdient mit 2:1. Die Borussen nutzten bei der Heynckes-Rückkehr die Gunst der Stunde.

Kurz nachdem Matthias Ginter den Ball zum zwischenzeitlichen 2:0 für Borussia Mönchengladbach ins Tor des FC Bayern befördert hatte, wurde es richtiggehend nostalgisch im Borussia-Park. Der alte Gassenhauer ›Zieht den Bayern die Lederhosen aus ...‹ schallte durch das ausverkaufte Stadion. Die Borussen kamen der Aufforderung nach und ließen die Münchener am Ende tatsächlich mit heruntergelassener Hose dastehen. »Es ist ein super Gefühl, gegen die Bayern zu gewinnen«, strahlte Kapitän Lars Stindl anschließend.

Für den Sieg im wahren Klassiker der Bundesliga mussten die Borussen an ihre Grenzen gehen. »Es war heute eine Energieleistung, vor allem in der zweiten Halbzeit«, sagte Stindl. »Wir haben alles reingeworfen.« Die Borussen gingen die Partie - durchaus legitim gegen die Bayern - eher wie ein Auswärtsspiel an. Konzentrierte Defensivarbeit und eine stabile Grundstruktur hatten Vorrang vor spielerischen Elementen.

»Wir waren von Anfang an da«, sagte Nico Elvedi. Der Schweizer ließ sich, wie die Kollegen, auch von der erzwungenen Umstellung nach wenigen Minuten nicht verunsichern. Nach der unglücklichen Kollision mit Jannik Vestergaard musste Christoph Kramer ins Krankenhaus gebracht werden. Die wichtigste Nachricht - es wurde noch am Abend Entwarnung gegeben, Kramer hat es nicht schwerer erwischt.

»Im richtigen Moment das Glück auf unserer Seite«

Für Kramer kam Tony Jantschke in die Partie und übernahm die Rechtsverteidigerposition, Elvedi rückte in die Innenverteidigung und Matthias Ginter ins defensive Mittelfeld. Der Ex-Freiburger musste sich nochmals bei seinem Trainer rückversichern, ob er denn tatsächlich wieder als Sechser spielen sollte. »Ich musste ihn ein wenig zu seinem Glück zwingen«, sagte Dieter Hecking anschließend mit breitem Grinsen.

Die Umstellungen brachten erfreulicherweise nichts durcheinander bei den Borussen, die in der Folgezeit immer wieder die angekündigten offensiven Nadelstiche setzten. Derweil taten sich die Bayern außerordentlich schwer. »Wir haben ein bisschen darauf spekuliert, dass die Abläufe bei ihnen vielleicht nicht ganz so da sind«, sagte Hecking. »Dass sie ihr Spieltempo nicht aufziehen konnten, lag aber auch daran, dass wir die Räume sehr eng gemacht haben.«

Die Bayern waren trotz viel Ballbesitz und hoher Passquote mit Ausnahme des Pfostentreffers von Lewandowski relativ harmlos. Dass es mit einem 2:0 für die Fohlenelf in die Kabinen ging, gab der Spielverlauf allerdings auch nicht zwingend her. »Natürlich hatten wir im richtigen Moment auch das Glück auf unserer Seite und haben die beiden Tore gemacht«, bestätigte Hecking. Der (berechtigte) Handelfmeter, den Hazard mit Fortune verwandelte und der Treffer von Ginter nach feiner Vorarbeit von Hazard und Stindl waren ein nahezu optimaler Ertrag des ersten Durchgangs.

»Das war fast Belagerungszustand«

»Wenn du mit 2:0 in die Halbzeit gehst, dann weißt du, dass es noch nicht durch ist«, sagte Hecking. Vor allem nicht gegen die Bayern. Die legten eine Schippe drauf und die Borussen wurden weit zurückgedrängt. »Das war fast Belagerungszustand«, bemerkte Hecking. »Wir haben in dieser Phase die Bälle zu früh verloren und auch ab und zu die falsche Entscheidung getroffen«, gab Stindl zu. »Eigentlich haben wir in der zweiten Halbzeit nur verteidigt.«

Das allerdings mit großem Aufwand und vor allem gemeinsam als Team, was sich auch in der Statistik ausdrückt: 123,5 Kilometer liefen die Gladbacher - ein außenordentlicher Wert. Vor allem die Offensivspieler arbeiteten perfekt mit nach hinten. Stindl rannte über 13 Kilometer, Herrmann (12,9), Hazard (12,8) und Raffael (11,3) mutierten ebenso zu Dauerläufern. »Die Mannschaft hat mit einer Leidenschaft verteidigt, die nicht selbstverständlich ist«, lobte Hecking seine Schützlinge.

Problematisch wurde es, weil die Borussen es bei allem Engagement nicht schafften, Kontrolle in die eigenen Aktionen zu bekommen und so etwas Druck vom Kessel zu nehmen. »Bei Ballbesitz haben wir es in der zweiten Halbzeit nicht gut gemacht«, kritisierte Hecking. »Da hätte ich mir mehr Entlastung gewünscht. Es lag aber auch an den Bayern, die nach der Pause sehr viel investiert haben.«

»Es fühlt sich richtig gut an heute Abend«

»Natürlich war die eine oder andere Situation brenzlig und hätte auch anders ausgehen können«, sagte Stindl. »Aber das Quäntchen Glück haben wir uns heute hart erarbeitet.« Der Anschlusstreffer der Münchener durch Vidal brachte die Gladbacher nicht aus dem Tritt. »Das wir nach dem 2:1 noch so gut verteidigen war schon stark«, befand Nico Elvedi. Es ging ein richtiger Ruck durch die Mannschaft, den auch der Trainer registrierte. »Nach dem Gegentor habe ich gemerkt, dass der Glaube da ist, den Sieg erreichen zu können.«

»Hut ab wie wir uns da gegen den Anlauf der Bayern gewehrt haben«, sagte Stindl. Als die Münchener in der Schlussphase alles nach vorne warfen, fanden die Borussen Räume zum Kontern vor. Raffael wurde auf dem Weg alleine aufs Tor von Hummels durch ein Halten aus dem Tritt gebracht, doch der fällige Freistoßpfiff - inklusive einer Diskussion über eine Notbremse - blieb aus. In der Nachspielzeit war es der eingewechselte Drmić, der die Chance auf den dritten Gladbacher Treffer vergab.

Als Oscar Wendt die letzte bedrohliche Situation mit seiner Rettungstat kurz vor der Torlinie entschärfte, war der Sieg unter Dach und Fach. »Es fühlt sich richtig gut an heute Abend«, sagte Hecking. »Wir sind sehr zufrieden damit, wie die Mannschaft gegen den Ball gearbeitet hat. Mit dem Spiel bei Ballbesitz in der ersten Halbzeit bin ich einverstanden, in der zweiten muss ich das kritisieren. Aber da bin ich heute nachsichtig.« Ein Sieg gegen den Rekordmeister ist und bleibt schließlich auch für den Bayern-Schreck Borussia etwas ganz Spezielles.

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