Frustrierte Borussen

»Da muss auch mal einer reingehen«

Created by Nachdreher aus Frankfurt
Michael Cuisance - Ein Symbolbild für den Abend in Frankfurt (Foto: Alex Grimm / Bongarts / Getty Images)

Michael Cuisance - Ein Symbolbild für den Abend in Frankfurt (Foto: Alex Grimm / Bongarts / Getty Images)

Frust pur bei Borussia Mönchengladbach nach der Niederlage bei Eintracht Frankfurt. Die Borussen scheiterten nicht nur an der speziellen Frankfurter Spielweise, sondern vor allem an eigenen Unzulänglichkeiten im Abschluss.

Weit nach Spielschluss stand Lars Stindl mit traurigem Blick in der Mixed-Zone der Frankfurter Arena. Das Baseballcap mit Gladbach-Raute tief ins Gesicht gezogen konstatierte er: »Wir haben unfassbar viel Aufwand betrieben und uns wieder nicht belohnt. Wir ärgern uns echt unheimlich über diese Niederlage.«

Die Gladbacher hatten sich einen besonderen Plan zurechtgelegt, wie sie mit der speziellen Frankfurter Spielweise zurechtkommen wollten. »Wir haben in den letzten drei Spielen gegen Frankfurt nicht gut ausgesehen und hatten eigentlich keine Torchance«, erklärte Christoph Kramer. »Deshalb haben wir das System auf Dreierkette umgestellt und heute sicherlich unser bestes Spiel gegen Frankfurt gemacht.«

»Ich war sehr zufrieden mit der Umsetzung«, konstatierte Dieter Hecking. »Es ist klar, dass nicht immer alles gleich passt. In der Rückwärtsbewegung hatten wir das ballentfernte Halbfeld zu offen. Das war der Abstimmung geschuldet. Aber die Mannschaft hat schon im Spiel gelernt und die Räume immer besser zubekommen.«

»Wir wollten die Überzahl im Mittelfeld ausspielen, weil sie doch sehr mit dem Mann mitgehen«, erläuterte Kramer. »Zunächst mussten wir uns finden nach der Systemumstellung«, ergänzte Stindl. Dass Frankfurt bereits in der Anfangsphase zu einer Mega-Chance nach einem Konter im Anschluss an eine Gladbacher Ecke kam, »hatte nichts mit dem System zu tun«, stellte Stindl klar. »Da müssen wir besser stehen.«

Darüber hinaus hatten die Borussen die Frankfurter weitestgehend im Griff - sieht man von einigen Angriffen über die rechte Gladbacher Seite ab, wo vor allem Herrmann gegen Rebic und Chandler seine Probleme hatte. Auf der anderen Seite blieb Borussia im ersten Durchgang offensiv völlig harmlos. »Es war eine Pattsituation in der ersten Halbzeit«, resümierte Hecking. »Die Mannschaften haben sich im Mittelfeld neutralisiert.«

Die Eintracht bediente sich dabei des bekannten körperbetonten Spiels. Oftmals im grenzwertigen Bereich, mehrfach ging es sogar darüber hinaus. Fünf Gelbe Karten gab es für Frankfurt, eine davon hätte jedoch zwingend eine Rote sein müssen. Das Foul von Ante Rebic an Patrick Herrmann ließ dem Schiedsrichter eigentlich keinen Spielraum. »Mit offener Sohle auf den Knöchel«, schüttelte Herrmann später nur mit dem Kopf. »Da hatte ich Glück, das nichts Schlimmes passiert ist. Gerade bei meiner Verletzungsserie ...«

Rebic durfte unverständlicherweise weiterspielen, auch Boatengs Fouls gegen Vestergaard (einmal durchaus elfmeterwürdig) blieben ungeahndet. »In letzter Zeit haben wir etwas Pech mit den Schiedsrichterentscheidungen«, sagte Stindl mit bitterem Unterton.

In Frankfurt war es auch die spezielle Symbiose zwischen Publikum und Mannschaft, die eine für den Schiedsrichter komplizierte Gemengelage ergab. Die Aggressivität, mit der die Frankfurter auf dem Platz zu Werke gingen, wurde auf schon fast absurde Weise auf den Rängen fortgeführt. Da war es nicht einfach für den Referee, bei der Zweikampfbeurteilung das richtige Maß walten zu lassen.

Dass Borussia mit einem Rückstand in die Pause ging, hatte jedoch weder was mit dem Schiedsrichter noch mit dem Frankfurter Publikum zu tun. Herrmann ließ sich von Chandler düpieren und in der Mitte gab es gleich mehrere Handlungsfehler, die Boateng den Treffer ermöglichten. »Das Gegentor nehme ich klar auf meine Kappe«, entschuldigte sich Herrmann. »Ich hätte ihn besser stellen oder zumindest foulen müssen.« »Das ist das Risiko, was man nimmt, wenn man mit einem Offensivspieler auf der Außenbahn spielt«, sagte Hecking.

»Im Moment fehlt uns auch ein wenig das Spielglück«, führte Kramer aus. »Vor der Halbzeit fängst du einen, obwohl es ein 0:0-Spiel ist. Dann machst du keinen, obwohl du eigentlich einen machen musst.« Mindestens einen. Denn Borussia war nach der Pause das klar dominierende Team.

»Wir sind hoch angelaufen und haben Druck erzeugt«, beschrieb Herrmann den Unterschied zur ersten Halbzeit. »Bis zur Elfmetersituation kam Frankfurt kaum aus der eigenen Hälfte«, sagte Kramer. »Wir waren die Mannschaft, die Fußball und nach vorne gespielt hat«, ergänzte Hecking. »Aber da muss auch mal einer reingehen«, ärgerte sich Stindl.

Die Überlegenheit führte zu einer stattlichen Anzahl von Torabschlüssen, doch es fehlte die Präzision. »Manchmal waren wir zu überhastet«, sagte Hecking und Stindl befand: »Im letzten Drittel waren wir nicht entschlossen genug.«

Herrmanns Lattenschuss und natürlich der Elfmeter von Thorgan Hazard waren die größten Möglichkeiten zum verdienten Ausgleich. So aber machte Frankfurt in der Nachspielzeit, als Borussia längst Vestergaard als Brechstange nach vorne geschickt hatte, mit dem zweiten Treffer alles klar. »Wir sind sehr enttäuscht, weil wir Minium einen Punkt verdient gehabt hätten«, sagte Hecking. Lars Stindl zog derweil die Kappe noch ein Stück tiefer ins Gesicht und verschwand frustriert in Richtung Mannschaftsbus.

Copyright © 2000- 2024 TORfabrik.de [Marc Basten] Nachdruck und Weiterverbreitung,
auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.

TORfabrik.de ist ein offiziell eingetragenes Magazin bei der
Deutschen Nationalbibliothek (ISSN 1610 - 4919)
Herausgegeben von Marc Basten, Altenkleusheimer Str. 12, 57462 Olpe

Unterstützt durch unseren Sponsor & Partner: tops.net GmbH & Co. KG