Die sportlich Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach hatten nach der desaströsen 0:4-Heimniederlage ihre Pflichttermine vor den TV-Kameras absolviert, als sich Roland Virkus zu den wartenden Journalisten in der Mixed-Zone gesellte. Das Entsetzen über den Verlauf des frühen Sonntagabends stand dem Sportchef ins Gesicht geschrieben. Er versuchte erst gar nicht, etwas schönzureden, und bat schlichtweg um Verständnis, unmittelbar nach so einem Spiel keine zukunftsweisenden Aussagen treffen zu wollen.
Einen Schulterschluss mit Trainer Gerardo Seoane hatte Virkus bereits kurz zuvor bei den TV-Interviews verweigert, und auch im Pulk der Journalisten ließ er die Gelegenheit dazu verstreichen. Derweil stand Seoane keine fünf Meter entfernt und konnte mit mehr als einem halben Ohr zuhören, was sein Chef gerade sagte – oder eben nicht sagte. Seoane wartete auf den Beginn der Pressekonferenz und schaute dabei auf den Bildschirm an der Decke der Mixed-Zone, wo das EM-Finale im Basketball lief.
Dass Seoane die Wende schafft, erscheint völlig illusorisch
Die deutschen Basketballer schafften nach einem misslungenen Start in die Partie noch die Wende und triumphierten am Ende. Dass Gerardo Seoane mit Borussia eine Wende schaffen wird, erscheint dagegen völlig illusorisch. Und das liegt beileibe nicht nur an der Klatsche gegen Werder Bremen. Diese Bruchlandung kam mit Ansage und geht weit über das Spiel am Sonntag hinaus. Dort hatte Seoane die vermeintlich beste Elf ins Rennen geschickt, und in den ersten Minuten ließ es sich auch gut an.
Doch schon früh wurde deutlich, dass einmal mehr Durchschlagskraft samt Ideen im Angriffsdrittel fehlte. Machino wirkte wie ein Fremdkörper, Reyna ließ Kreativität und Klasse aufblitzen, aber es fehlte ihm an Mitspielern, mit denen er hätte kombinieren können. Hack versuchte es mit Einzelaktionen, und Honorat blieb einmal mehr eigentümlich blass. Der Ansatz, hoch zu verteidigen und Bälle zu erobern, klappte mehrfach richtig gut; doch durch technische Fehler sowie falsche Entscheidungen verpufften diese Situationen wirkungslos.
Die defensive Stabilität war nur eine Seifenblase
Der größte Knackpunkt war jedoch das zentrale Mittelfeld. Kapitän Reitz agierte vogelwild und verlor dabei völlig den Überblick. Sander machte das mit Abstand schlechteste Spiel seiner noch jungen Bundesligakarriere. Von einer Gladbacher Kompaktheit gegen den Ball konnte keine Rede sein. Die beiden frühen Gegentore wurden förmlich auf die schon typisch absurde Gladbacher Art und Weise hergeschenkt. Hatte man sich in den ersten beiden Spielen noch daran hochgezogen, defensiv vermeintlich stabil gewesen zu sein, war nun auch diese Seifenblase geplatzt.
Was die Borussen in der Folgezeit auf den Platz brachten, darf man zwar als ehrlich bemüht bezeichnen, doch es war in seiner Gesamtheit erschreckend hilflos. Vor allem, weil man nicht unterschlagen darf, dass Bremen keineswegs fehlerlos agierte, sondern sogar sehr viel anbot – wie Horst Steffen später einräumte. Dem Bremer Coach war durchaus bewusst, dass seine Mannschaft diesen Kantersieg zu einem großen Stück den Gladbacher Unzulänglichkeiten zu verdanken hatte.
Auch der letzte Ignorant sollte geweckt worden sein
Auch die Korrekturversuche von der Bank verpufften. Dass es nach hinten heraus so eine deftige Klatsche für die Borussen wurde, hätte niemals passieren dürfen. Gleichwohl muss dieses plakative 0:4 auch den letzten Ignoranten wecken und klar machen, dass sich Borussia in dieser Konstellation im freien Fall befindet und das Ziehen der Reißleine unumgänglich ist. Nach dem Absturz zum Ende der letzten Saison wurde überall nachhaltig gewarnt, auch weil man die Hypothek des Frühjahrs unweigerlich mit in die neue Saison nehmen musste. Nur ein wirklich guter Start hätte etwas retten können. Doch nach dieser Bruchlandung mit Ansage muss es Konsequenzen geben – um noch zu retten, was aufgrund der Fehlentwicklungen der letzten Jahre vielleicht schon nicht mehr zu retten ist.
von Marc Basten