Als am Sonntagabend bei milden Temperaturen im Borussia-Park der Schlusspfiff erklang, blickte manch einer mit leicht versonnenem Blick auf die Tabelle. Borussia, vor Anpfiff auf Rang 12, katapultierte sich mit dem 2:0 über St. Pauli gleich sechs Plätze nach oben und steht nun tatsächlich auf einem Europacup-Platz. »Eine Momentaufnahme« sei das, betonten sowohl Trainer Gerardo Seoane als auch Sportchef Roland Virkus. Aber ohne Frage eine, die alle Borussen höchst erfreut zur Kenntnis nehmen.
Gegen St. Pauli holten die Fohlen den vierten Heimsieg in Folge und machten einen weiteren Schritt in Richtung Stabilität. Ein Fußballfest, wie es die Borussen zuletzt im Borussia-Park gegen Bremen feiern konnten, war das Aufeinandertreffen mit dem Aufsteiger allerdings nicht. Vielmehr war es ein klug heraus gespielter Sieg, bei dem »uns der Spielverlauf extrem geholfen hat«, wie Gerardo Seoane anschließend zugab.
Vermeintlich ängstliche Taktik entpuppt sich als kluger Schachzug
Seine Mannschaft ging die Partie sehr verhalten an und bei Ballbesitz war eine gewisse Ratlosigkeit zu erkennen, wie man denn nun diesen recht forsch auftretenden Gegner bespielen sollte. Es zeichnete sich ein Geduldsspiel ab, doch dann sorgte bereits nach 13 Minuten eine Standardsituation für den Türöffner. Plea traf mit dem Knie, nachdem zuvor Friedrich eine Honorat-Ecke per Kopf weitergeleitet hatte. Danach hatten die Borussen ihre stärkste Phase, ohne dabei ein Feuerwerk abzubrennen.
St. Pauli bekam wieder mehr Spielanteile und die Borussen zogen sich sehr weit zurück. Honorat ließ sich bei gegnerischem Ballbesitz weit zurückfallen, während Scally und nach dessen früher Auswechslung Lainer einrückten. So verteidigten die Gladbacher in einer Fünferkette, die durch einen augenfällig tief stehenden Weigl sogar zeitweise zu einer Sechserkette mutierte. Was man als eine etwas arg ängstliche Taktik gegen einen solchen Gegner interpretieren konnte, erwies sich letztlich als ein kluger Schachzug.
Das 2:0 durch Kleindienst kurz vor der Pause war die Vorentscheidung
»Teil unseres Plans war, dass wir St. Pauli etwas mehr Ballbesitz lassen, um unser Umschaltspiel auf den Platz zu bekommen«, sagte Gerardo Seoane. Das mit dem Umschaltspiel klappte nicht ganz so wie erwünscht, da viele gute Ansätze durch technische Fehler oder unkonzentrierte Abspiele zunichtegemacht wurden. Dagegen erwies sich der hohe Ballbesitzanteil der Gäste als absolut positiv für die Gladbacher, denn der Aufsteiger tat sich extrem schwer, etwas zu kreieren. Durch die eigene disziplinierte Staffelung und die fehlende Offensivqualität des Gegners geriet die Führung nie ernsthaft in Gefahr.
Als dann auch noch kurz vor dem Pausenpfiff mit einem simplen wie effektiven Angriff das 2:0 durch Kleindienst erzielt wurde, war das ein sehr komfortabler Vorsprung beim Seitenwechsel. Nach einer noch recht ordentlichen Startphase in den zweiten Durchgang übernahm St. Pauli klar das Kommando und auch wenn die Borussen weiterhin sehr aufmerksam verteidigten, war es doch schon grenzwertig, wie wenig man selbst mit dem Ball anzufangen wusste. »Wir mussten viel mehr verteidigen, weil es uns nicht mehr gelungen ist, uns mit dem Ball so zu entfalten, dass wir mehr Spielkontrolle hatten«, bestätigte Seoane.
Ein unspektakulärer, aber wertvoller Sieg
Es lag an der disziplinierten Defensivarbeit, aber auch ganz deutlich an der Schwäche des Gegners, dass jegliche Gefahr vom Gladbacher Tor ferngehalten werden konnte. Erst in der Schlussviertelstunde kamen die offensiv nicht bundesligatauglich agierenden Gäste zu zwei, drei nennenswerten Chancen, welche sie nicht nutzen konnten. Die Borussen stellten sich ihrerseits bei den Konterangriffen nicht sonderlich geschickt an, sodass es letztlich nur noch darum ging, den Vorsprung zu sichern und über die Zeit zu bringen. Das gelang schließlich relativ souverän.
»Kompliment an die Mannschaft, dass sie in einem Spiel, das insgesamt weniger gut war, resilient und konzentriert genug war, dass wir den Sieg nach Hause gebracht haben«, sagte Seoane. Damit ist eigentlich alles gesagt. Die Taktik, den Gegner mit der Spielgestaltung zu überfordern, ist durch die gute Defensivarbeit und die eigenen Tore zum richtigen Zeitpunkt aufgegangen. Dieser Sieg war unspektakulär, bringt aber drei wertvolle Punkte und weitere Sicherheit für die nächsten Aufgaben. Und eine schöne Momentaufnahme in der Tabelle.
von Marc Basten