Nachdreher aus Müngersdorf

Borussia verpatzt das Derby: »Eine schreckliche erste Halbzeit«

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Not very amused - Gerardo Seoane beim Derby in Müngersdorf (Foto: Leon Kuegeler - Getty Images)

Borussia Mönchengladbach verliert das rheinische Derby und das vollkommen verdient. Die Mannschaft enttäuschte auf allen Ebenen und auch in der Nachbetrachtung herrschte eine gewisse Ratlosigkeit vor. Eine derartige Minusleistung hatte man nicht einkalkuliert.

In den vergangenen Wochen bildeten Mannschaft und Fans von Borussia Mönchengladbach eine bemerkenswerte Einheit. Trotz drei Heimniederlagen in Folge und schwankenden Auswärtsleistungen war die Sache im Gleichgewicht. Hier der große Umbruch, dort das Verständnis für die Umstände und die Anerkennung für die Willensleistung der Spieler. Am Sonntag in Müngersdorf wurden jedoch erste feine Risse im Gebilde deutlich. Eine Derbyniederlage, noch dazu nach einer so schwachen Vorstellung auf allen Ebenen, hinterlässt Spuren. 

Dabei waren die Borussen mit viel Selbstvertrauen und Optimismus nach Müngersdorf gefahren. Die richtigen Lehren aus dem Darmstadt-Spiel, als man sich überrennen ließ, schien man beim Auswärtssieg in Bochum gezogen zu haben. Eigentlich bestand kein Grund zu der Annahme, dass sich die Borussen von der zu erwartenden Kölner Anfangseuphorie aus dem Tritt bringen lassen könnten. Gut organisiert verteidigen, keine Räume hergeben und die Kölner mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten am ausgestreckten Arm verhungern lassen - diese Herangehensweise wurde erwartet. 

Viel zu große Abstände zwischen den Linien

Doch es kam anders. »Wir haben eine schreckliche erste Halbzeit gespielt«, sagte Kapitän Julian Weigl anschließend und lag damit völlig richtig. »Erklären kann ich mir das noch nicht, weil wir eigentlich gut vorbereitet waren.« Tatsächlich war es so, dass weder Stil noch System der Kölner überraschend gekommen wären. Und dennoch wirkten die Gladbacher, als ob man sie komplett auf dem falschen Fuß erwischt hätte. »Der Start war richtig schwach«, musste auch Gerardo Seoane einräumen. »Wir hatten keinen Zugriff, sind nicht klargekommen mit den Positionswechseln der Kölner im Mittelfeld, sind nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen und hatten viel zu große Abstände zwischen den Linien.«

Der frühe Kölner Führungstreffer war fast zwangsläufig, auch wenn er in der Entstehung unglücklich war. Es ist absurd, Manu Koné ein absichtliches Handspiel zu unterstellen, wenn er aus so kurzer Distanz angeschossen wird. Aber die irrwitzige Interpretation der Handspielregel führt dazu, dass hier die Entscheidung auf Handspiel regelkonform war. Dass das 0:1 nicht förderlich für das Gladbacher Selbstvertrauen war, ist logisch. Dass die Mannschaft aber in allen Bereichen derart schwach auftrat, ist nicht mit dem frühen Rückstand zu erklären. 

»Das war in allen Belangen ungenügend«

»Das war in allen Belangen ungenügend«, sagte Seoane. Die Borussen spielten wie ein Absteiger - ohne Plan, ohne Mut, ohne Zweikampfpräsenz. Das Anlaufen des Kölner Aufbauspiels glich einem desorientierten Hühnerhaufen. Zweimal trafen die Kölner noch Aluminium und die Borussen hatten auch darüber hinaus das Glück, dass die Abschlussqualitäten der Gastgeber eher unterdurchschnittlich sind. »Das Beste zur Pause war noch das Ergebnis«, sagte Julian Weigl. Gerardo Seoane stellte nach der Halbzeit auf 4-4-2 um und korrigierte damit die hoffnungslose Unterlegenheit im Mittelfeld. »Mit der Umstellung wurde es zufriedenstellender«, sagte der Schweizer. »Mit der ersten Torchance kommen wir zum Ausgleich und daraus zogen wir dann Energie, um das Spiel vielleicht doch noch auf unsere Seite zu ziehen.«

Tatsächlich flammte da plötzlich Licht am Ende des Tunnels auf. »Für eine kurze Zeit schien es so, als würde die Partie kippen«, schilderte Geschäftsführer Roland Virkus die Eindrücke, die auch die Gladbachfans in Müngersdorf so interpretiert hatten. Egal, wie bescheiden Borussia in der ersten Stunde aufgetreten war, der Derbysieg war mit einem Mal wieder greifbar. Doch die harte Landung auf dem Boden der Tatsachen folgte prompt. »Die Rote Karte hat uns so ein bisschen den Stecker gezogen«, sagte Julian Weigl. Koné wollte auf der Seite als Aushilfslinksverteidiger den Konter unterbinden, kam viel zu spät und traf den Gegenspieler so hart, dass der Platzverweis komplett korrekt war. Auch wenn es natürlich angesichts der Entscheidung in Freiburg am Vortag, als Vincenzo Grifo für ein ähnlich geartetes Foul mit Gelb davonkam, einen faden Beigeschmack hatte.

»Mit so einer Leistung können wir keine Siege einfahren«

Richtig unglücklich war dann der Doppelfehler von Moritz Nicolas, der Jonas Omlin bislang so blitzsauber vertreten hat. Bei der Faustabwehr kam er schlichtweg zu spät und traf nur den Kopf von Waldschmidt und die Hoffnung, seinen Fehler durch den gehaltenen Elfmeter zu korrigieren, erfüllte sich nicht. Auch hier war die Entscheidung von Aytekin und seinem Team korrekt. Der Elfmeter musste wiederholt werden, weil Nicolas zu früh die Linie verlassen hatte und diesmal verwandelte Kainz eiskalt. Borussia lag in Unterzahl zurück und damit war das Derby durch. Diskussionswürdig in Bezug auf Schiedsrichter Aytekin blieb letztlich nur, dass er den Kölnern - besonders Hübers - sehr viele Fouls durchgehen ließ, ohne eine angebrachte persönliche Strafe auszusprechen und die Entscheidung auf Stürmerfoul im Kölner Strafraum gegen Jordan in der Schlussphase. Das war eher umgekehrt, aber ein klarer Elfmeter für Borussia war es auch nicht. 

So bleibt die Feststellung, dass sich die Borussen die Derbyniederlage selbst zuzuschreiben haben. »Unter dem Strich war das in allen Belangen zu wenig von uns«, sagte Julian Weigl. »Wir müssen uns auch bei den Fans entschuldigen.« Die wiederum zeigten sich längst nicht mehr so verständnisvoll wie in den vergangenen Wochen. »Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir weiter sind«, resümierte ein nachdenklicher Roland Virkus. Und Gerardo Seoane sieht einmal mehr sich und sein Trainerteam gefordert, nachdem auch er mehr oder weniger kalt erwischt wurde von der Performance seiner Mannschaft. »Wir fahren mit einem schlechten Gefühl nach Hause und müssen diese verdiente Niederlage klar aufarbeiten. Mit so einer Leistung können wir keine Siege einfahren, da wird sich der Trainerstab Gedanken machen, wie wir der Mannschaft neue Impulse geben können für die beiden anstehenden Spiele gegen Heidenheim.«

 


von Marc Basten
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