Max Eberl hatte den Kaffee auf. In den Katakomben des winterlich kalten Westfalenstadions kam Borussias Sportdirektor nach dem Schlusspfiff auf Betriebstemperatur. »Es ärgert mich maßlos, dass der Verein, der immer für den Video-Assistenten kämpft, so bestraft wird«, ereiferte er sich. Auslöser des Ärgers war der Angriff vor dem Dortmunder Ausgleich, bei dem Sancho im Abseits stand, was vom Linienrichter übersehen wurde. Und da es im Pokal erst ab dem Viertelfinale den VAR gibt, konnte die Sache im Nachhinein auch nicht korrigiert werden. Sehr bitter für die Gladbacher, die bereits beim Ligaspiel vor zehn Tagen unter einer Fehlentscheidung (nicht gegebener Elfmeter) zu leiden hatten.
In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen, dass die Borussen vor einer Woche in Rom noch erheblich von der Abwesenheit eines Video-Assistenten profitiert haben. Gleichwohl war der Ärger der Gladbacher verständlich. »Wir waren in beiden Spielen hier in Dortmund die Mannschaft, die den Sieg mehr verdient gehabt hätte«, sagte Eberl. »Die bessere Mannschaft ist ausgeschieden«.
Der Aussage des emotionalen Sportdirektors kann man sich durchaus anschließen. Die Gladbacher, bei denen Christoph Kramer wegen einer Grippe kurzfristig auch noch ausfiel, überraschten den BVB mit einer Systemumstellung. Denis Zakaria spielte zentral in einer Dreierabwehrkette mit Startelfdebütant Jordan Beyer und Nico Elvedi. »Eingespielt war die Dreierkette nicht«, sagte Elvedi anschließend. »Aber wir haben uns wohl gefühlt. Natürlich ist die Formation mit Risiko verbunden, weil du hinten oft eins gegen eins stehst.« Doch die Gladbacher verteidigten in der letzten Linie aufmerksam und ließen Dortmund aus dem Spiel heraus kaum eine Chance.
»Wir wollten weiter vorwärts verteidigen und nicht passiv werden«
Gleichzeitig wurde die Überzahl im Mittelfeld genutzt. »Das haben wir sehr gut gemacht«, befand Elvedi. »Wir haben sie früh unter Druck gesetzt«. Der Plan schien aufzugehen, denn die Gladbacher stressten die Dortmunder erheblich im Aufbauspiel und kamen zu vielen Ballgewinnen. »Die Jungs haben viel von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Vor allem gegen den Ball war es sehr stark«, lobte Marco Rose. Das Problem der Borussen: Sie schlugen kein Kapital aus den zahlreichen Eroberungen in durchaus interessanten Räumen. »Da hätten wir Dortmund noch mehr weh tun können, wenn wir es besser spielen«, bestätigte Rose. »Mit dem Ball war es erste Halbzeit ein wenig zu unsauber«.
Nach dem Seitenwechsel wurden die Aktionen in der gegnerischen Hälfte zielgerichteter und die Fohlenelf verdiente sich die Führung durch Marcus Thuram, der die Flanke von Oscar Wendt aus kurzer Distanz per Kopf verwertete. »Vom Gefühl her war Dortmund am Boden«, sagte Jonas Hofmann. Doch mit viel Glück kam der BVB zum Ausgleich. Zum einen lag die erwähnte Abseitsposition vor, zum anderen wurde der Schuss von Brandt durch Elvedi und Zakaria gleich doppelt abgefälscht, so dass Sommer gegen diesen Flipperball machtlos war. Dass Brandt kurz darauf der Siegtreffer gelang, wirft die Frage auf, ob es die Gladbacher nach der Führung nicht etwas defensiver hätten angehen sollen. »Wir wollten weiter vorwärts verteidigen und nicht passiv werden«, so Rose. »Vor dem Ausgleich hatten wir den Ansatz eines Konters, wo wir aufs zweite Tor hätten gehen können. Das war auch unser Ziel.«
»Für uns war schon wichtig, dass das Thema heute nach 90 Minuten erledigt ist«
Dieses Ziel verpassten die Gladbacher und so blieb die Belohnung für den großen Aufwand aus. »Einige Spieler haben heute ihre Grenzen verschoben«, sagte Rose. »Das macht mich ein Stück weit stolz.« Die Belastung ist enorm und die Folgen machen sich auf der stetig anwachsenden Verletztenliste bemerkbar. In Dortmund kam nun auch noch Rami Bensebaini mit einer Muskelverletzung hinzu. So konnten die Gladbacher letztlich trotz der unglücklichen Niederlage froh sein, dass es nicht in die Verlängerung ging. »Für uns war schon wichtig, dass das Thema heute nach 90 Minuten erledigt ist«, gab Rose zu. »Ansonsten wäre es sehr schwierig geworden, wie sich die Dinge im Moment mit allem drum und dran darstellen.«
Am Mittwoch saßen mit Strobl, Ginter und Traoré drei Spieler auf der Bank, die eigentlich gar nicht im Kader stehen sollten, zudem spielte Stindl durch und auch Hofmann blieb 87 Minuten auf dem Feld. In den Schlussminuten gab U23-Stürmer Charalambos Makridis sein Debüt bei den Profis. Doch Zeit zum Wunden lecken bleibt keine, der Terminplan ist gnadenlos. Am Samstag steht das Auswärtsspiel in der BayArena an. »Ich hätte mich gefreut, wenn es der Sonntag gewesen wäre, so aber haben wir jetzt wieder den Drei-Tage-Rhythmus«, sagte Rose. »Die Situation ist nicht einfach, aber wir werden auch in Leverkusen wieder Fußball spielen wie wir uns das vorstellen und eine gute Truppe aufs Feld bringen.«
von Marc Basten und Jan van Leeuwen