Nachdreher aus dem Borussia-Park

Leidenschaft, Effizienz und die zweite Luft

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Mit Julian Weigl als verkapptem Libero erarbeitet sich Borussia den Sieg gegen den VfB (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Borussia Mönchengladbach bewegte sich gegen den VfB Stuttgart lange auf dünnem Eis und drohte, erneut einen Vorsprung zu verspielen. Doch weil man diesmal hinten raus nachlegen konnte, reichten Leidenschaft und Effizienz zum eminent wichtigen Heimsieg.

Als der Vierte Offizielle am Sonntagabend im kalten Borussia-Park die Nachspielzeit von vier Minuten anzeigte, war die Anspannung im Stadion greifbar. Noch führte die Borussia knapp mit 2:1, aber der VfB drängte gefühlt seit Stunden und die Gladbacher hingen über weite Strecken der zweiten Halbzeit richtiggehend in den Seilen. 

Das Trauma von Frankfurt, als in der Nachspielzeit drei Punkte verspielt wurden, war plötzlich wieder ganz nah. Doch dann folgte dieser wichtige Entlastungsangriff, bei dem Koné nochmals alles aus sich herausholte, mit einem strammen Schuss den Pfosten traf und Jordan den Rebound reaktionsschnell zum erlösenden 3:1 verwertete. 

Kein Offensivpressing der Borussia

Es war ein emotionaler Moment, der vorrangig von großer Erleichterung geprägt war. Die so wichtigen drei Punkte waren im Sack und der Matchplan aufgegangen. Dass dem so war, lag zunächst einmal am Blitzstart der Borussia. Der Treffer von Robin Hack nach wenigen Sekunden brachte nicht nur Sicherheit, sondern beschäftigte auch die Stuttgarter nachhaltig. 

Die hatten zudem an der kompakten Ausrichtung der Gladbacher zu knabbern. Gerardo Seoane hatte angeordnet, diesmal gänzlich auf ein Offensivpressing zu verzichten. Sobald Stuttgart sich mit Ball formierte, bewegten sich die Flügelstürmer Honorat und Hack weit zurück und postierten sich in der Linie noch hinter den beiden Achtern und fast auf Höhe von Weigl. 

Eine reife erste halbe Stunde

Die Räume für den VfB waren sehr eng. »Da wird es für jede Mannschaft schwierig«, rechtfertigte Seoane die Herangehensweise. Stuttgart kam nicht ins Rollen, während die Borussen mit ihren Nadelstichen gefährlich blieben und sogar nachlegten. Der zweite Treffer von Hack - erneut ein kompromissloser und geradliniger Abschluss - war die Belohnung für eine reife erste halbe Stunde.

In der Folgezeit schlichen sich allerdings einige Nachlässigkeiten ein und die Borussen hatten Glück, dass diese nicht bestraft wurden. Nach dem Seitenwechsel stellte Stuttgart mit der Einwechslung von Leweling das System um. »Das hatten wir so nicht erwartet und hat uns gewisse Schwierigkeiten bereitet«, musste Seoane einräumen. 

Weigl wie ein Libero

Auch wenn die Gäste nur wenig wirklich klare Gelegenheiten hatten, war der Anschlusstreffer zehn Minuten nach Wiederanpfiff schon fast zwangsläufig. Die Borussen hatten auf die Systemänderung reagiert und Weigl als zentralen Spieler in die Abwehrkette zurückgezogen. Teilweise stand der Kapitän sogar hinter den beiden Innenverteidigern im Stil eines Liberos. 

Durch die extrem tiefe Ausrichtung (Seoane: »Das wollten wir so nicht«) wurde es über lange Phasen eine Abwehrschlacht. Erschwerend kam hinzu, dass die Borussen kaum Ballbesitz und schon gar keine Ballkontrolle hatten. Am Ende weist die Statistik für die Fohlen eine Ballbesitzquote von 29 % auf. Das ist schon bemerkenswert für einen Klub, der noch im letzten Jahr der irrigen Annahme war, man definiere sich über Ballbesitzfußball. 

»Wir sind alle sehr glücklich, weil der Sieg auch sehr wichtig für die Tabelle war«

Dass die Sache gegen den VfB nicht schiefging, lag zum einen an der leidenschaftlichen und kollektiven Verteidigungsarbeit, auch wenn Weigls Rückzug in die Kette den Stuttgartern davor viele Räume öffnete. Zum anderen schafften es die Borussen im Gegensatz zu Spielen wie in Frankfurt, nach hinten raus die zweite Luft zu bekommen und die Stuttgarter durch einige Entlastungsangriffe aus dem Rhythmus zu bringen. 

So fiel dann auch das erlösende 3:1 und ersparte allen eine Wiederholung des Horrorszenarios aus Frankfurt. Es war gewiss kein spielerischer Leckerbissen im Borussia-Park, aber schämen muss sich für die Art und Weise auch niemand. Es ist mehr als nur legitim, einem auf dem Papier überlegenen Gegner nicht auch noch in die Karten zu spielen - besonders in der aktuellen Lage. »Wir sind alle sehr glücklich, weil der Sieg auch sehr wichtig für die Tabelle war«, sagte Julian Weigl mit Blick auf das, was an diesem Abend wirklich zählte.

 


von Marc Basten
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