4:0 - dieses Resultat leuchtete auf den Anzeigetafeln im Borussia-Park, als Schiedsrichter Zwayer bei strömendem Regen die Partie zwischen der Gladbacher Borussia und dem VfL Wolfsburg beendete. Ein überraschendes Endergebnis, allerdings nur der Höhe wegen. Denn ganz so klar, wie es das Resultat ausdrückt, waren die Kräfteverhältnisse an diesem Freitagabend nicht. »Wir wissen, dass der Spielverlauf komplett für uns war«, räumte Borussias Trainer Gerardo Seoane mit gewohnter Sachlichkeit ein. Dennoch gab es keine zwei Meinungen, dass die Fohlen sich die drei Punkte gegen die Wölfe redlich verdient hatten.
Seoane sprach seiner Mannschaft ein Kompliment für »eine disziplinierte Leistung, großes Engagement und eine hohe Laufbereitschaft« aus. 123 Kilometer legten die Borussen zurück, was gleichzeitig der Saisonbestwert war. Auch im Hinblick auf Intensität standen sie dem VfL Wolfsburg in nichts nach - im Gegenteil. Die Borussen wiesen die Gäste mit deren ureigensten Mitteln in die Schranken und das war sehr bemerkenswert. Seoanes taktische Herangehensweise war durchaus gewagt, gelang aber letztlich einwandfrei.
Mannorientiertes Verteidigen mit viel Risiko
Die angepasste Abwehrformation mit Scally, Elvedi und Wöber als letzte Reihe und den ‘Flügelverteidigern’ Honorat und Netz verlangte auch von Weigl als Sechser und den beiden Achtern Reitz und Koné eine extrem hohe Intensität ab. Durch die mannorientierte Spielweise und das ständige Vorrücken auf den ballführenden Wolfsburger mussten alle sehr wachsam sein, um sich öffnende Räume im Rücken der Kollegen zu schließen. So etwas klappt nur dann, wenn alle mitziehen und das Kollektiv funktioniert. So wie am Freitagabend.
Als zum Beispiel Tomáš Čvančara nach 76 Minuten ausgewechselt wurde, hatte er über 10 Kilometer in den Beinen. Ein Laufwert, den mancher Stürmer bei Borussia sonst in 90 Minuten nicht erreicht. Bereitschaft und Wille waren also vorhanden, was immer die Basis sein muss. Gegen Wolfsburg kam hinzu, dass sich der Aufwand zeitig zu lohnen begann. Der Führungstreffer nach 16 Minuten durch den zuletzt arg in der Kritik stehenden Čvančara war in der Entstehung herausragend und sorgte für Rückenwind. Das 2:0 vor der Pause fiel zu einem eminent wichtigen Zeitpunkt. »Wir haben in schwierigen Momenten die Fehler sehr gut ausgenutzt und waren sehr effizient«, sagte Seoane.
Reitz ganz ruhig und abgezockt
Das erste Bundesligator von Rocco Reitz wurde zwar von Wolfsburgs Keeper Casteels auf dem Silbertablett serviert, doch wie ruhig und abgezockt Reitz das Geschenk annahm und vollendete, war Extraklasse. Der Youngster steht ohnehin sinnbildlich für das, was bei Borussia in dieser Umbruchphase schon richtig gut läuft. »Er gibt uns eine sehr gute Energie auf dem Platz«, lobte Seoane das Gladbacher Eigengewächs. »Dass er sich jetzt noch mit einer Balleroberung und anschließendem Tor belohnt, freut uns alle sehr«.
Nach der Pause gab es dann eine Phase, in der die Partie hätte kippen können. Wolfsburg kam zu einigen gefährlichen Abschlüssen und es drohte ein ähnlicher Verlauf wie letzte Woche in Freiburg, als die Borussen vergeblich versuchten, einen Zwei-Tore-Vorsprung zu verteidigen. Doch diesmal folgte eine Reaktion aus der Mannschaft heraus. »Sie hat selbst auf dem Platz gewisse Sachen reguliert«, stellte Seoane zufrieden fest. »Dass man sich gegenseitig coacht, dass man nicht einfach zusieht, was passiert, sondern aktiv versucht zu intervenieren. Ich hatte das Gefühl, dass man viel aktiver geblieben ist, als am letzten Wochenende.«
»Die Mannschaft beginnt, gewisse Verantwortung in gewissen Prozessen zu übernehmen«
Die Wolfsburger Druckphase wurde überstanden und auch der dritte Treffer fiel genau zum richtigen Zeitpunkt. »Das 3:0 war ein kleiner Befreiungsschlag«, sagte Seoane. Für die Wolfsburger war es sogar ein echter Tiefschlag, denn ihnen fehlte nun sichtlich der Glauben, das Spiel noch drehen zu können. Die Borussen legten das 4:0 nach und blieben dann bis zum Ende fokussiert, um endlich auch mal ein Spiel ohne Gegentor abzuschließen. »Das ist nicht nur für den Torhüter, sondern für das gesamte Defensivkonzept des Teams wichtig«, erklärte Seoane.
So können die Borussen mit einem guten Gefühl in die letzte Länderspielpause des Jahres gehen. Die Tendenz mit drei Siegen und einem Remis in den letzten vier Pflichtspielen geht eindeutig in die richtige Richtung. »In den letzten Wochen nach dem Derby hat eine extreme Reaktion stattgefunden im Team in puncto Energie und Kommunikation, nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben«, sagte Seoane. »Die Mannschaft beginnt, gewisse Verantwortung in gewissen Prozessen zu übernehmen. Das gefällt uns, das ist ein Weg, den wir weiter antreiben wollen. In dem Wissen, dass es Rückschläge geben wird und wenn diese da sind, dass man zusammenhält und wieder nach vorne kommt.«