Schon vor dem Spiel im sonnigen Borussia-Park wurde es extrem laut, als die offizielle Verabschiedungen vorgenommen wurden. Tatsächlich bedachte eine unüberhörbare Anzahl an Besuchern Ramy Bensebaini und Marcus Thuram mit Pfiffen, doch die vernehmbare Mehrheit im Stadion zeigte Anstand und applaudierte auch den beiden Spielern, die nach vier Jahren in Gladbach ihr Glück woanders suchen. Als dann Lars Stindl an der Reihe war, herrschte wieder Einigkeit auf den Rängen - so laut war es lange nicht mehr im Stadion.
Die Choreo vor dem Anpfiff war beeindruckend und der Rahmen stimmte. »Schon die Verabschiedung vor dem Spiel war sehr emotional«, sagte Stindl später. Zuvor hatten er und seine Kollegen mit einem flotten Auftritt dafür gesorgt, dass die Feierstimmung im Borussia-Park durch das Geschehen auf dem Platz keinen Dämpfer erhielt. Auch aufgrund einer eigenartig uninspiriert auftretenden Augsburger Mannschaft spielten die Borussen phasenweise wie in den besten Zeiten der Ära Lars Stindl.
»Ich bin unglaublich dankbar für das, was ich erlebt habe«
Die Kombinationen waren leicht und sicher, der Zug zum Tor war da und in der Arbeit gegen den Ball war man konzentriert und konsequent. Für Daniel Farke kam die erste Halbzeit schon nahe an die Perfektion, die es laut dem 46-Jährigen im Fußball nicht gibt. Auch Lars Stindl hatte seinen Anteil - nicht zuletzt mit der so typischen Stindl-Aktion, als er als Doppelpasspartner für Hofmann auflegte. »Fast alles hat gepasst, aber ich hätte natürlich gerne getroffen«, sagte Stindl. Doch dieses Abschiedsgeschenk blieb ihm verwehrt. Ein Schuss strich knapp am Tor vorbei, der Elfmeter, zu dem er schon antreten wollten, wurde wieder einkassiert und den anschließend fulminant getretenen Freistoß parierte Augsburgs Keeper.
Nach der Pause hatte der ‘Capitano’ noch eine Schusschance aus der Drehung, ehe er in der 85. Minute mit Standing Ovations verabschiedet wurde. »Ich musste mich schon beherrschen in dem Moment«, sagte ein sichtlich berührter Stindl später. »Da nimmt man das ganze Drumherum sehr intensiv wahr. Ich habe den Moment einfach genossen.« Bis zum Schlusspfiff wurde Stindl durchgehend gefeiert, dann kletterte er auf den Zaun der Nordkurve. »Ich habe es vom ersten Tag an geliebt, im Borussia-Park zu spielen und bin unglaublich dankbar für das, was ich erlebt habe. Ich bin jetzt kein Spieler mehr von Borussia Mönchengladbach, sondern ab heute einfach nur noch ein riesiger Fan von Borussia Mönchengladbach.«
Stindl geht als Legende
Natürlich war Stindl auch weit nach den ganzen berührenden Feierlichkeiten im Stadion ein gefragter Gesprächspartner. »Es liegt in meiner Natur, alles zu tun für den Verein. Das habe ich, so glaube ich, getan. Die Resonanz ist sensationell«, erklärte der 34-Jährige. »Die Jahre in Gladbach waren die schönsten und intensivsten meines Lebens. Es gab natürlich auch schwere Momente, aber das gehört in einem Fußballer-Leben dazu. Aber die schönen Momente überwiegen ganz klar.« Nach acht Jahren und 271 Pflichtspielen für die Borussia verabschiedet sich Lars Stindl und geht als Legende.
von Marc Basten