Max Eberl ist ein Sportdirektor, der beharrlich an seinen Grundsätzen festhält. Eine dieser Doktrinen ist, dass ‚werthaltige‘ Spieler bei einer Restvertragslaufzeit von einem Jahr entweder ihren Kontrakt verlängern, oder aber verkauft werden. Der Grund ist nachvollziehbar: Borussia kann es sich nicht leisten, einen Vertrag auslaufen zu lassen und den Spieler ablösefrei ziehen zu lassen. Die Generierung angemessener Transfererlöse ist ein Muss für den Klub vom Niederrhein.
Vor anderthalb Jahren blickte man in Gladbach mit Bierruhe auf den Sommer 2021. Die Verträge von Matthias Ginter und Denis Zakaria hatten eine Gültigkeit bis 2022 und entweder würde man verlängern, oder aber die Spieler verkaufen – möglicherweise zu Rekordsummen. Denis Zakaria (24) war Anfang 2020 europaweit eine ganz heiße Nummer und allseits wurde damit gerechnet, dass der Schweizer spätestens 2021 weit über 30 Millionen Euro in die Kassen der Borussia spülen würde.
Zakaria – Verletzung und Corona gefährden Rekordtransfer
Doch dann kam Corona – und im Fall Zakaria auch noch eine schwere Verletzung. Beim letzten Spiel im vollen Borussia-Park (die Älteren werden sich erinnern) erwischte ihn Yann Sommer schwer und es begann eine lange Leidenszeit. Zwar meldete sich ‚Zak‘ Ende 2020 wieder zurück, doch bis heute kam er nicht mehr so richtig auf Touren. Einige Ansätze gab es in den letzten Wochen, aber er ist längst noch nicht der Alte. Das haben natürlich auch die Scouts der potentiellen Interessenten mitbekommen und hinter Zakarias Namen steht mittlerweile ein Fragezeichen – zumindest eines, das mit Bleistift verfasst wurde.
Branchenkenner taxieren eine realistische Ablöse für Zakaria momentan auf maximal 15 Millionen Euro. Dabei spielt natürlich auch die Corona-Pandemie eine große Rolle. Aus dem unkontrollierten und wuchernden Geldkreislauf des Profifußballs ist zwar nicht gänzlich die Luft raus, aber die Einschnitte sind immens und für nicht wenige Klubs definitiv existenzbedrohend. Die Hoffnung in Deutschland, so sagte es auch Max Eberl kürzlich, sind die ‚verrückten‘ Engländer. Dort wird noch Geld in den Kreislauf gepumpt und wenn das Transferkarussell auf der Insel Fahrt aufnimmt, könnte sich auch für die Bundesligavereine etwas bewegen.
Bei Borussia muss man genau kalkulieren
Die Frage bleibt, ob ein englischer Klub bereit ist, für Denis Zakaria tief in die Tasche zu greifen. Ähnlich ist auch der Fall Matthias Ginter gelagert. Mit 27 ist er im besten Alter, dazu aktueller Stammspieler in der Nationalmannschaft, mit der Erfahrung vieler Profijahre und Turniere. In ‚normalen‘ Zeiten wäre es sicher kein Problem, dass ein zahlungskräftiger Klub unterhalb der Top 5 in Europa zugreifen und den Borussen einen satten Transfererlös bescheren würde. Doch selbst in England sitzt das Geld nicht mehr bei allen Vereinen locker - in Italien und vor allem Spanien ist es noch viel extremer.
Momentan, so ist zu vernehmen, liegen weder für Zakaria noch für Ginter konkrete Angebote vor. Der logische Schritt wäre nun, die Spieler mit Nachdruck zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen. Was wiederum auch nicht so einfach ist. Beide wollen sich die Optionen offen halten, wenn der Markt in Bewegung kommt. Und bei Borussia muss man ebenfalls genau kalkulieren. Dass die Spieler sich bei einer Verlängerung finanziell deutlich verbessern wollen, ist klar. Doch in Zeiten, wo die Kader verschlankt werden, um Kosten zu reduzieren, viele Profis aus dem ‚mittleren Regal‘ aussortiert werden oder schlechter dotierte Anschlussverträge vorgelegt bekommen, muss der Verein akkurat abwägen, wie in den konkreten Fällen das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag ist.
Ginter ist keine unersetzliche Säule, die um jeden Preis gehalten werden muss
Aus sportlicher Sicht wäre es sicher ein Verlust, Ginter und/oder Zakaria abzugeben. Andererseits ist selbst Ginter - auch wenn er immer spielt – keine unersetzliche Säule im Konstrukt, die man um jeden Preis halten muss. Eine Verlängerung würde Borussia einerseits Mehrkosten bescheren, andererseits eben auch um ‚frisches Geld‘ in Form von Transfererlösen bringen. Kaderveränderungen werden dann schwieriger – von hochkarätigen Verstärkungen ganz zu schweigen. Das gilt auch, wenn man die Verträge auslaufen lässt und die Spieler im nächsten Sommer ablösefrei gehen.
Das Ganze ist ein Drahtseilakt und deshalb ist es nachvollziehbar, dass alle Seiten im Moment auf den Faktor Zeit setzen. Der Wunsch, zum Trainingsauftakt den Kader stehen zu haben, hat sich schon in normalen Jahren nur selten komplett erfüllen lassen. Diesmal ist davon auszugehen, dass das Mannschaftsfoto bei vielen Vereinen in mehreren Durchgängen geschossen werden muss. Die Frage, ob bei der finalen Version in Gladbach Ginter oder Zakaria dabei sind, kann momentan wohl niemand seriös beantworten. Klar ist nur, dass es richtig kompliziert und die Gerüchteküche weiterhin ordentlich befeuert werden kann.
von Marc Basten