Nachdreher aus dem Borussia-Park

Borussen landen ernüchtert auf dem Boden der Tatsachen

Created by Nachdreher aus dem Borussia-Park

Frust pur, nicht nur bei Tim Kleindienst (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Lange Gesichter und trotziger Support aus der Nordkurve nach dem ernüchternden 1:2 gegen Freiburg prägten das Bild nach dem Schlusspfiff im Borussia-Park. Die Landung auf dem Boden der Tatsachen war unangenehm.

Wie konnte Borussia Mönchengladbach gegen den SC Freiburg insbesondere in der zweiten Halbzeit nur solch eine blutleere Vorstellung zeigen, dass der Freiburger Siegtreffer in der 90. Minute vom Zeitpunkt her zwar sehr ärgerlich, aber folgerichtig und völlig verdient war? Für Sportchef Roland Virkus war es vordergründig eine Kopfsache. »Die Spieler sehen natürlich, welche Chancen sich dort vorn in der Tabelle ergeben und wollen dann unbedingt, aber dann verkrampfst du eben auch mal«.

Trainer Gerardo Seoane konnte dieser Argumentation nicht viel abgewinnen. »Kein Spieler auf dem Platz hat irgendwelche Gedanken an irgendwelche Szenarien - solch eine Niederlage hat fußballerische Gründe, sei es technisch, sei es taktisch, konditionell, aber auch mental. Europäische Destinationen haben in unserer Kabine keinen Platz.« Wie so oft im Fußball, ist es wohl eine Kombination verschiedener Faktoren, die zu dieser desolaten Leistung in der zweiten Halbzeit geführt haben.

»Eine Körpersprache, als ginge es um nichts mehr«

Die Ausgangslage und das Bewusstsein, dass es sich um ein ‘Sechs-Punkte-Spiel’ handelte, haben die Spieler zweifellos mental beschäftigt. Diese Anspannung in positive Energie umzuwandeln, muss in erster Linie aus der Mannschaft selbst kommen. Genau dieser kollektive Umgang mit dem Druck fehlte am Samstag ganz offensichtlich. Da war kein Feuer, keine echte Überzeugung und eine schon fast ängstliche Zurückhaltung zu sehen. 

Tim Kleindienst, der bereits in der vergangenen Woche in Hamburg sehr deutliche Worte fand, legte am Mikrofon von Sky nach. »Ich weiß nicht, ob hier manche schon so eine Zufriedenheit entwickeln, dass die Saison soweit ganz in Ordnung ist und wir das so ein bisschen ausplempern lassen«, ärgerte sich der Mittelstürmer. »Wir haben irgendwie eine Körpersprache, als wäre die Saison schon durch und es ginge um nichts mehr. Ich verstehe nicht, dass wir solch eine Leistung zeigen, obwohl es jetzt in so eine Richtung gehen kann, wo wir um etwas spielen können.«

Umstellungen auf Kosten der Aggressivität 

Die Borussen gingen die Partie sehr zurückhaltend an, was vermutlich dem Matchplan von Trainer Seoane entsprach. Der hatte das Mittelfeld nach dem Ausfall von Rocco Reitz umbauen müssen und sich mangels Alternativen für Florian Neuhaus auf der zweiten Sechserposition entschieden. Wohl wissend, dass Neuhaus gegen den Ball nicht annähernd die Aggressivität einbringen kann, wie es ein Reitz oder Sander können. Zudem überraschte der Coach mit der Nominierung von Luca Netz als Linksverteidiger. 

Lukas Ullrich ist in den vergangenen Wochen zwar in einer kleinen Schaffenskrise, was angesichts seiner ersten richtigen Profisaison völlig normal ist, und ihn mal pausieren zu lassen, ergibt daher auch Sinn. Doch mit der Nominierung von Luca Netz als Linksverteidiger in der Viererkette wurde ausgerechnet in diesem wichtigen Spiel die große Baustelle wieder eröffnet, die Ullrich schließen konnte. Die Defizite von Netz in der defensiven Antizipation und beim Zweikampfverhalten waren unübersehbar.

Offensivspiel nach der Pause eine Farce

Es wäre ungerecht und viel zu einfach, die Schuld an der unausgewogenen Performance der Mannschaft allein auf Netz und Neuhaus zu schieben. Fakt ist jedoch, dass die defensive Stabilität dadurch beeinträchtigt wurde. Das führte gleichzeitig dazu, dass man nur in wenigen Phasen kollektive Dominanz mit Ball ausüben konnte, sich eher ängstlich passiv verhielt und Freiburg die Spielgestaltung überließ. Konnte man im ersten Durchgang zumindest noch einige gefährliche Umschaltangriffe inszenieren und die Partie gegen alles andere als fehlerfreie Freiburger ausgeglichen gestalten, war das Offensivspiel nach der Pause eine Farce. 

»Wir sind nicht mehr in die Zonen gekommen, wo es hätte gefährlich werden können«, sagte Kleindienst. »Das ist am Ende dann mangelhaft. Wie sollen wir Tore schießen, wenn wir da nicht hinkommen, wo es gefährlich wird?«. Der erzwungene Wechsel von Elvedi, der ein wertvolles Wechselfenster kostete, erwies sich als ebenso hinderlich wie die schmerzliche Erkenntnis, dass dem durch Verletzungen ausgedünnten Kader schlichtweg die nötige Tiefe fehlt, um in der Schlussphase noch einmal nachlegen zu können. Doch weder dies noch die ungewohnt hohen Temperaturen erklären den Umstand, dass viele Spieler den Eindruck vermittelten, als ob ihnen schon sehr früh die Puste ausgehen würde.

Sich nach Europa mogeln zu wollen, funktioniert nicht

Am Ende bleibt festzuhalten, dass die Borussen dieses Spiel mit aller Berechtigung verloren haben. Die Herangehensweise von letzter Woche bei St. Pauli und nun gegen Freiburg, sich irgendwie nach Europa durchmogeln zu wollen, funktioniert nicht. Die Chance ergreifen zu wollen und dabei vielleicht mit fliegenden Fahnen unterzugehen, wäre der bessere Ansatz gewesen. Noch ist nicht alles verloren und möglicherweise löst die veränderte Situation noch etwas aus. »Vielleicht ist es besser, dass du jetzt Jäger bist und nicht mehr Gejagter«, sagte Roland Virkus. »Vielleicht ist es besser, dass du das Ganze von unten und nicht von oben siehst. Dann siehst du: Es gibt nichts mehr zu verlieren«.

 


von Marc Basten

Copyright © 2000- 2025 TORfabrik.de [Marc Basten] Nachdruck und Weiterverbreitung,
auch auszugsweise, nur mit Genehmigung.

TORfabrik.de ist ein offiziell eingetragenes Magazin bei der
Deutschen Nationalbibliothek (ISSN 1610 - 4919)
Herausgegeben von Marc Basten, Altenkleusheimer Str. 12, 57462 Olpe

Unterstützt durch unseren Sponsor & Partner: tops.net GmbH & Co. KG