Nach dem überzeugenden 4:2 gegen Portugal am Wochenende schien bei der deutschen Nationalmannschaft der Knoten geplatzt zu sein, doch diese Annahme entpuppte sich im anschließenden Gruppenspiel gegen Ungarn als Trugschluss. Wie schon in der Eröffnungspartie gegen Frankreich blieb die DFB-Elf offensiv extrem harmlos. Beständigkeit herrscht nur bei der Anfälligkeit in der Defensive – was auch gegen Ungarn deutlich wurde.
Jogi Löw hatte sich für die bewährte Formation entschieden, lediglich der angeschlagene Müller wurde von Sané ersetzt. Die Ungarn hatten augenscheinlich ihre Hausaufgaben gemacht und nahmen in einer klaren Zuordnung mit Kimmich (rechts) und Gosens (links) die beiden Antreiber aus der Portugal-Partie aus dem Spiel. Die Folge war ein furchtbares Aufbauspiel, bei dem Matthias Ginter eine tragende Rolle einnahm.
Ginter mit Doppelfehler beim Gegentreffer
Ginter rückte weit in den rechten Halbraum vor, weil die Ungarn ihn gewähren ließen. Zwei, drei gute Flachpässe an die Strafraumgrenze gelangen Ginter, seine Flankenversuche aus dem Halbfeld versandeten jedoch. Das lag auch daran, dass es im Sechzehner überhaupt keinen Zielspieler für hohe Bälle gab, was die ständige Flankerei ziemlich sinnbefreit wirken ließ. Die Offensivspieler rochierten zwar viel, trauten sich aber so gut wie nie ins Dribbling – vor allem nicht im Strafraum - so dass die deutsche Offensive ausrechenbar und leicht abzuwehren war.
Erschwerend kam hinzu, dass die DFB-Elf bereits nach 11 Minuten beim ersten Konter der Ungarn in Rückstand geriet. Auch daran hatte Matthias Ginter seinen Anteil: Seine zu flache Hereingabe aus dem Halbfeld wurde vor dem ungarischen Strafraum abgefangen und war der Ausgangspunkt des Gegenangriffs. Ginter und seine Kollegen orientierten sich zwar zurück, beließen es aber beim reinen Begleitservice für die Gegenspieler. Weil Ginter - der zudem noch das Abseits aufhob – und Hummels sich nicht abstimmten, konnte der Mainzer Adam Szalai einen sehenswerten Kopfballtreffer erzielen.
Auch beim zweiten Tor ist Ginter Teil der Fehlerkette
Zehn Minuten später wäre Ginter fast der Ausgleich gelungen, doch mit eingesprungenem langen Bein konnte der Gladbacher den Ball nicht mehr entscheidend platzieren, so dass Keeper Gulasci parieren konnte. Neben einem Lattenkopfball von Hummels war dies die beste deutsche Chance vor der Pause. Auch nach dem Seitenwechsel tat sich die Löw-Truppe sehr schwer, dennoch gelang Havertz in der 66. Minute der Ausgleich, als er von einem Fehler von Gulasci profitierte und den Ball per Kopf aus kurzer Distanz über die Linie drückte.
Dass Löw den Torschützen allerdings unmittelbar darauf auswechselte und sich damit einer der wenigen Kopfballoptionen beraubte, war mehr als eigenartig. Genauso eigenartig war das Verhalten der DFB-Mannen direkt nach dem Anstoß. Ganze 15 Sekunden dauerte es, bis die Ungarn zu ihrem zweiten Treffer kamen. Matze Ginter war dabei Teil der Fehlerkette, als er Szalai nicht am entscheidenden Pass auf den Torschützen Schäfer hindern konnte. Letztlich sahen aber mehrere deutsche Spieler schlecht aus – inklusive Manuel Neuer.
Zitterpartie führt ins Achtelfinale gegen England
Deutschland musste also erneut einem Rückstand hinterherlaufen und stellte sich dabei weiterhin wenig geschickt an. In der 82. Minute war für Matthias Ginter die Partie beendet – er wurde durch Kevin Volland ersetzt. Bundestrainer Löw musste ‚All-In‘ gehen, da Deutschland unbedingt ein Tor brauchte, um nicht auszuscheiden. Das gelang zwei Minuten später tatsächlich, als sich der ebenfalls eingewechselte Musiala ins Dribbling traute und den Treffer von Goretzka zum 2:2 vorbereitete.
Deutschland rettete schließlich dieses Remis durch Ballhalten irgendwie über die Zeit und entging dem vorzeitigen Ausscheiden nach der Gruppenphase. Im Achtelfinale wartet nun England – da werden sich die Ginter & Co. mächtig steigern müssen. Florian Neuhaus blieb wie in den anderen beiden Spielen 90 Minuten draußen, Jonas Hofmann stand trotz überstandener Knieverletzung nicht im Aufgebot. So erging es auch Marcus Thuram bei Frankreich, das nach dem 2:2 gegen Portugal Gruppensieger ist. Derweil ist László Bénes der erste Gladbacher, für den das Turnier beendet ist. Bénes, der zu einem Kurzeinsatz kam, unterlag mit der Slowakei 0:5 gegen Spanien und schied aus.
Die anderen Borussen sind in folgenden Achtelfinalbegegnungen gefordert: Österreich trifft auf Italien (Samstag, 21 Uhr), die Schweiz und Frankreich duellieren sich am Montag um 21 Uhr und am Mittwoch um 18 Uhr steigt im Wembley-Stadion das Spiel England gegen Deutschland.
von Redaktion TORfabrik.de