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“Mut zur Jugend” - Langfristig Borussias einzige Chance

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Dr. Stefan Stegemann und Roland Virkus (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Borussia Mönchengladbach will wieder zurück zum “Fohlenfussball”. Mit dieser Strategie im Gepäck gehen die Verantwortlichen die neue Saison an. Das ist keine Überraschung, denn langfristig ist es tatsächlich Borussias einzige Chance.

Seit einer Woche läuft das Training bei Borussia Mönchengladbach. Schaut man auf den Kader, ist man weitestgehend genauso schlau wie zu Beginn der Sommerpause. Für Borussias Geschäftsführung stellte sich daher beim Auftakt die Frage, mit welcher Strategie man denn an die Öffentlichkeit treten sollte. In den vergangenen Jahren war von Aufbruch, Umbruch und dem ominösen “Borussia-Weg” die Rede, ohne dass etwas davon umgesetzt oder mit Inhalt gefüllt werden konnte. 

Die umfassende Saisonanalyse hat wenig überraschend offenbar ebenfalls keine Ergebnisse geliefert, die als Basis für eine Strategie taugen, mit der sich die große Zahl der skeptischen Fans begeistern ließe. Der Umstand, dass man aufgrund der finanziellen Situation auf dem Transfermarkt so lange handlungsunfähig ist, bis ein Dritter irgendetwas anstößt, ist ein Dilemma. Wer nur reagieren, aber nicht agieren kann, wird nie den Eindruck erwecken können, er habe alles unter Kontrolle. 

Keine Werte geschaffen

Borussias Kader wirkt weiterhin unausgewogen und in Teilen fast willkürlich zusammengestellt – das lässt sich längst nicht mehr allein auf Altlasten aus der sogenannten „Eberl-Ära“ zurückführen. Tatsache ist vielmehr, dass die aktuellen Personalkosten im Ligavergleich nach wie vor so hoch sind, dass Borussia bei einem vernünftigen Verhältnis von Aufwand und Ertrag eigentlich zwingend im einstelligen Tabellenbereich stehen müsste.

Obwohl so teuer, wurden mit diesem Kader die sportlichen Ziele verfehlt und gleichzeitig keine Werte geschaffen. Borussia verfügt über wenig ‘Tafelsilber’, dafür aber über mehr als ein halbes Dutzend Spieler, die man eigentlich nicht mehr möchte, für die es jedoch kaum einen Markt gibt - schon gar nicht einen, der lukrativ ist. 

Borussia ist kein Entwicklungsklub für Top-Talente mehr

Vor einigen Jahren verpflichtete Borussia noch junge Spieler für beachtliche Summen, die sportlich echten Mehrwert brachten und das Potenzial hatten, später mit Gewinn weiterverkauft zu werden. Die Grundidee dahinter war durchaus stimmig, auch wenn die Umsetzung bei Spielern wie Thuram, Zakaria, Koné und Co. aus unterschiedlichen Gründen letztlich nicht den erhofften Ertrag brachte. Unter Roland Virkus wurde mit Nathan Ngoumou ein letzter Transfer nach diesem Prinzip getätigt – leider blieb auch hier der gewünschte Effekt aus.

Mittlerweile ist Borussia angesichts der sportlichen Situation längst nicht mehr attraktiv genug, um als Entwicklungsklub für Top-Talente aus der obersten Kategorie zu gelten – ein junger Marcus Thuram würde sich heute wohl kaum noch für einen Wechsel nach Gladbach entscheiden. Zudem wäre der Verein aktuell auch finanziell nicht mehr in der Lage, mehr als 10 Millionen Euro für einen aufstrebenden Spieler wie Marcus Thuram zu investieren.

Mittel- und langfristig geht es nur über die Jugendarbeit

Es stellt sich also die Frage, wie Borussia Mönchengladbach perspektivisch Geld verdienen will, um halbwegs konkurrenzfähig zu bleiben. Bei Tickets, Merchandising und traditionellen Sponsoren ist man gut aufgestellt und auch wenn es immer Potenzial nach oben gibt, wird man hier keine riesengroßen Sprünge machen können. Sportlich ist man meilenweit davon entfernt, echte Einnahmequellen wie aus der Champions League oder ähnlichen Gelddruck-Wettbewerben wie der Klub-WM zu erschließen. Und wie erwähnt, ist der reale Marktwert des aktuellen Kaders nicht der Rede wert. 

Ohne Investoren oder andere risikobehaftete strukturelle Veränderungen wird Borussia mittel- und langfristig nur dann überleben können, wenn man eine Vielzahl an eigenen Jugendspielern in den Profibereich bringt und sie dann gewinnbringend verkauft. Dass Borussias CEO Dr. Stefan Stegemann die Rückkehr zum “Fohlenfußball” als Strategie für die nächsten drei bis fünf Jahre ausgibt, ist daher schlüssig, aber auch wenig überraschend. Unter den gegebenen Umständen ist es Borussias einzige Chance. 

Seoane und „Mut zur Jugend“?

Diese Ausrichtung – die bekanntlich seit Jahren auf jeder Flipchart der Borussia-Verantwortlichen steht – ist keineswegs neu und die aktuellen Probleme werden damit nicht gelöst. Es bleibt abzuwarten, wie der bislang in dieser Hinsicht eher unauffällige Gerardo Seoane den geforderten „Mut zur Jugend“ tatsächlich umsetzen wird. Borussia steht vor großen Herausforderungen in der kommenden Saison, und dabei wird es wenig helfen, dass der 16-jährige Wael Mohya nun bei den Profis mittrainiert – so richtig dieser Schritt auch ist.

Bis die sogenannte „Goldene Generation“, wie Roland Virkus es wenig glücklich formulierte, tatsächlich spürbaren Einfluss nehmen kann, wird noch einiges an Zeit vergehen. Viel entscheidender ist aktuell jedoch, wie es im Hier und Jetzt weitergeht – eine Woche vor dem Trainingslager gibt es noch so viele gravierende Baustellen, dass einem fast schwindelig werden könnte. 

 


von Marc Basten

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