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Luca hat sich im Netz verheddert

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Wie geht es für und mit Luca Netz weiter? (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Ein schlechtes Wortspiel als Überschrift passt zu einem Artikel über eine schlechte Saison, die hinter Luca Netz liegt. Der 22-Jährige stagniert in seiner Entwicklung, auch weil es bei Borussia für ihn nicht mehr passt.

In diesen Tagen findet bei Borussia Mönchengladbach die große Saisonanalyse statt, bei der mal wieder jeder Stein umgedreht wird. Neben vielen anderen Dingen und Personalien wird man sich auch mit Luca Netz genauer beschäftigen müssen. Das einstige “Supertalent“ hat eine Saison hinter sich, die ein klarer Rückschritt in seiner Entwicklung war. Nach 25 Startelfeinsätzen in der Liga in der Vorsaison stand er in der nun abgelaufenen Spielzeit lediglich achtmal von Beginn an auf dem Platz. 

Einer der Gründe war seine Fußverletzung, die er sich am sechsten Spieltag Anfang Oktober in Augsburg zugezogen hatte. Bis dahin war Netz als Linksverteidiger gesetzt, fiel dann jedoch eine geraume Zeit aus. Sieben Spiele verpasste er und erst Mitte Dezember stand er erstmals wieder im Kader. In der Zwischenzeit hatte sich sein “Backup“ Lukas Ullrich festgespielt und erhielt auch nach der Rückkehr von Netz den Vorzug, woran sich im weiteren Verlauf der Saison nichts änderte. 

Zu viele Defensivschwächen für einen klassischen Außenverteidiger

Das lag zum einen an der stabilen Perfomance von Ullrich, aber auch an dem, was der wieder genesene Netz anbot. Im Training, so heißt es, hätte er sich nicht übermäßig aufgedrängt und auch bei seinen regelmäßigen Kurzeinsätzen konnte er kaum Werbung in eigener Sache machen. Selbst als Konkurrent Ullrich zuletzt einen sichtbaren Durchhänger hatte, blieb Netz in der zweiten Reihe. Oftmals, wenn Netz eingewechselt wurde, ging damit eine Umstellung auf Fünferkette einher, sodass Netz den “Schienenspieler“ geben konnte. Als klassischer Linksverteidiger wurde er mittlerweile auch von Trainer Gerardo Seoane nicht mehr gesehen. 

An dieser Erkenntnis des Trainers gibt es nichts zu kritisieren - außer dem späten Zeitpunkt. Nicht nur hier bei TORfabrik haben wir uns bereits seit langer Zeit die Finger wund geschrieben und darauf verwiesen, dass Netz aufgrund fehlender defensiver Qualitäten kein zuverlässiger Linksverteidiger in einer Viererkette ist. Sein Zweikampfverhalten ist nicht ausreichend, im Positionsspiel hat er große Schwierigkeiten und auch wenn er sich zuletzt diesbezüglich etwas verbessert zeigte, bleibt sein Kopfballtiming ein Problem. 

Nur als “Schienenspieler“ deutete Netz sein Potenzial an

Auch wenn der Tagesspiegel Ende 2020 davon berichtete, dass dem 17-jährigen Luca Netz bei Hertha durch Scouts und Experten sowie einem datenbasierten Algorithmus zur Bewertung von Talenten das “Zeug zum Weltklasse-Verteidiger” attestiert und eine große Karriere prophezeit wurde, sieht es in der Praxis etwas anders aus. Im Gegensatz zu vielen anderen vermeintlichen Top-Talenten, die feststellen mussten, dass es mit der Durchlässigkeit nach oben bei Borussia deutlich schwieriger ist, als es von den Verantwortlichen oft dargestellt wird, wurde Netz von Anfang an – nicht zuletzt durch Adi Hütter – gezielt gefördert und erhielt regelmäßig seine Einsatzzeiten.

Im System von Hütter mit Dreier- bzw. Fünferkette deutete Netz sein Potenzial an. Doch als Daniel Farke kam und mit Viererkette spielen ließ, gab es für Netz keine Position - als Linksverteidiger war Bensebaini gesetzt. Als Gerardo Seoane übernahm, der das System im ersten Jahr mehrfach zwischen Fünfer- und Viererkette switchte, pendelte auch Netz hin und her. Als “Schienenspieler“ war es okay, auch wenn seine Offensivleistungen die defensiven Schwächen nicht aufwiegen konnten. Als klassischer Linksverteidiger waren die Probleme so offensichtlich, dass nach dem knapp vermiedenen Abstieg im letzten Sommer jeder davon ausgegangen war, dass Borussia einen neuen Linksverteidiger holen würde. 

Von Ullrich auch in der U21-Nationalmannschaft verdrängt

Zur großen Überraschung kam es anders. Die finanziellen Zwänge erlaubten offensichtlich keinen Zukauf und ein Leihgeschäft wurde auch nicht realisiert. Geichwohl hatte sich das Trainerteam in der Vorbereitung auf ein System mit Viererabwehrkette festgelegt und entsprechend wurde Luca Netz mangels Alternativen als Linksverteidiger fest eingeplant. Auch wenn Netz sich in den ersten Saisonspielen bis zu seiner Verletzung etwas gefestigter zeigte als zuvor, so blieb die individuelle Fehlerquote letztlich zu hoch. Durch die Verletzung von Netz wurde Ullrich gezwungenermaßen ins kalte Wasser geworfen, schwamm sich frei und verdrängte Netz vollends. 

Am Ende der Saison steht Netz als einer der großen Verlierer da. Nicht nur den Stammplatz bei Borussia hat er verloren, sondern auch noch seinen Platz in der U21-Nationalmannschaft. Für die anstehende Europameisterschaft wurde er nicht nominiert - auch beim DFB setzt man nun auf Lukas Ullrich. Bleibt die Frage, wie es nach diesem ernüchternden Jahr für Luca Netz weitergeht. Sein Fünfjahresvertrag läuft noch ein Jahr und da man bei Borussia keine werthaltigen Spieler mehr ablösefrei ziehen lassen will, besteht Handlungsbedarf. 

Verlängerung nicht sinnvoll - Gibt es einen Markt für Netz?

Die Option Vertragsverlängerung erscheint für beide Seiten wenig sinnvoll. Netz dürfte in der aktuellen Konstellation keine Perspektive für sich sehen und auch Borussia wird sich keinen hoch bezahlten Spieler leisten können, für den man eigentlich gar keine Verwendung hat. Auf der anderen Seite ist ungewiss, ob es für einen Verkauf von Luca Netz einen Markt gibt. Die Vorschusslorbeeren als großes Talent zählen nicht mehr, und die stockende Entwicklung ist potenziellen Interessenten natürlich auch nicht entgangen. Die 7 Millionen Euro, welche das Portal Transfermarkt.de als Marktwert “erwürfelt” hat, dürften mit der Realität wenig zu tun haben. 

Wie bei so vielen offenen Fragen in diesen Tagen bei Borussia heißt es auch im Hinblick auf Luca Netz abzuwarten, welche Lösungen präsentiert werden. Dass sich etwas tun muss, steht fest. Es steht zu befürchten, dass es unter dem Strich einige Verlierer geben wird - egal, wohin die Reise geht.

 


von Marc Basten

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