Dass Dieter Hecking auf Pressekonferenzen vor den Spielen kaum oder nur sehr ungern über seine Überlegungen hinsichtlich der Mannschaftsaufstellung spricht, ist mittlerweile bekannt. Neu ist dagegen, dass Borussias Trainer die Pflichtveranstaltung im Vorfeld auf ein Spiel zu einem regelrechten Täuschungsmanöver nutzt.
So geschehen vor dem Bayern-Spiel. Die Nachfrage zu Lars Stindl beantwortete der Trainer ziemlich eindeutig. Vielleicht könne der Kapitän im Verlauf des Spiels wichtig werden, aber so richtig gehe die Saison »für Lars erst nach der Länderspielpause los«. Also würde Stindl in München zwar im Kader stehen, aber doch - ähnlich wie in Wolfsburg - eher als moralischer Beistand und je nach Verlauf vielleicht für ein paar Minuten Einsatzzeit am Ende.
Gleichzeitig legte sich Hecking fest, in welcher Rolle er Stindl einplant: »In diesem System sehe ich ihn als einen der beiden Achter«.
Als am Samstag die Aufstellungen in der Allianz Arena verteilt wurden, gab es nicht nur bei den Journalisten viele fragende Gesichter. Lars Stindl in der Anfangself? Oha. Und auf welcher Position? Wird vielleicht das Spielsystem total umgekrempelt?
»Ein paar Kniffe musst du auch mal draufhaben«
Diese Fragen stellten sich auch die Bayern. Niko Kovac rätselte am Sky-Mikrofon, ob Borussia wohl im 4-4-2 spielen werde. Doch dem war nicht so. Hecking ließ im 4-3-3 agieren, aber er bot Stindl nicht als Achter auf. Stattdessen spielte der Kapitän zentral vorne, während Plea auf die linke Seite rückte und Hazard nach rechts. Borussias Angriffsreihe wurde für die Rückkehr von Stindl quasi neu erfunden.
Genau diese Umstellung ebnete den Weg zum Coup in München. Stindls Ballgewinn gegen den behäbigen Süle leitete die Kombination ein, an dessen Ende Plea - über seine linke Seite kommend - den Führungstreffer markierte. Sechs Minuten später verwertete Stindl in zentraler Position persönlich den Ballgewinn Hofmanns mit einem trockenen Abschluss auf typische ›Stindl-Art‹.
Dieter Hecking ist zum Glück ein so geerdeter Trainer, dass er sein gelungenes Täuschungsmanöver nicht als genialen Masterplan verkaufen wollte. »Ein paar Kniffe musst du auch mal draufhaben«, sagte er anschließend mit einem Augenzwinkern. »Alassane hat in Nizza neben Balotelli links gespielt und auch in der ersten Länderspielpause gegen Bochum von links super gespielt - das hatte ich im Kopf. Mit Lars wollte ich einfach einen ballsichereren Spieler mehr auf dem Platz haben. Die anderen sind doch mehr die, die in die Tiefe gehen. Heute ist es super aufgegangen.«
Wo und wie Lars Stindl künftig spielen wird, bleibt abzuwarten. Klar sind seit diesem denkwürdigen Abend in der Allianz Arena zwei Dinge: Borussias Kapitän ist wieder da und Dieter Hecking ist allen Unkenrufen zum Trotz ein Trainer, der überraschen kann.
von Marc Basten