Es war ein emotionaler Abend im Borussia-Park. Schon vor dem Anpfiff war es im Stadion so laut wie lange nicht mehr. »Es war ja nicht nur die Kurve, sondern das ganze Stadion war heute der Wahnsinn«, sagte Philipp Sander anschließend. »Ich hatte Gänsehaut.« Die Atmosphäre passte für das 99. rheinische Derby in der Bundesliga, das sich auf dem Platz anders entwickelte, als es zumindest die Gäste aus Köln gedacht hatten.
Polanskis Plan überrascht den FC
Deren Trainer Lukas Kwasniok räumte anschließend freimütig ein, von der Spielweise der Borussen überrascht worden zu sein. Beim FC war man davon ausgegangen, dass die Fohlen als Heimteam, angeheizt von den Fans, von Beginn an nach vorne marschieren würden. Die Kölner wollten dann, wie sie es in ihrer Underdog-Rolle als Aufsteiger in dieser Saison schon mehrfach erfolgreich praktiziert haben, über ihre schnellen Leute die Gladbacher Abwehrkette an- und überlaufen und den Gegner auskontern.
Doch dieses Vorhaben ging nicht auf. Denn die Borussen dachten gar nicht daran, den Kölnern in die Karten zu spielen. Stattdessen verzichtete man auf hohes Pressing und überließ dem Gegner den Ball. »Kompakte Defensive, fleißig verschieben und immer Nadelstiche setzen«, beschrieb Sportchef Rouven Schröder den Gladbacher Matchplan. Die Kölner hatten zwar viel den Ball, aber damit auch eine Menge Probleme. Kwasniok musste schulterzuckend zugeben, dass es deutlich schwieriger sei, ein Spiel gestalten zu müssen, als aus einer Konterhaltung auf Umschaltangriffe zu setzen.
Mut statt Angsthasentaktik
Borussias Herangehensweise war – anders als mancher Beobachter es äußerte – keine Angsthasentaktik. Im Gegenteil, es war mutig von Polanski. Hätte es nämlich nicht geklappt mit der stabilen Defensive und wäre irgendwann ein Ball durchgerutscht, so wäre ihm der Matchplan um die Ohren geflogen. So aber ging er auf, auch weil der Spielverlauf nahezu ideal für Borussia war. »Das Spielglück war auf unserer Seite«, räumte Rouven Schröder ein.
Dass nach dem Nackenschlag, den der in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit von Tabaković verschossene Foulelfmeter mit sich brachte, unmittelbar darauf durch den Führungstreffer von Philipp Sander ins Gegenteil verkehrt wurde, war eminent wichtig. Genauso, dass nach dem 2:0 durch den verwandelten Elfmeter von Diks der dritte Treffer nur zwei Minuten später folgte. Weil der FC nur Aluminium traf und das Tor von Waldschmidt wegen knapper Abseitsposition nicht zählte, blieb den Borussen das ganz große Zittern erspart, auch wenn der indisponierte Schiedsrichter Aytekin den Kölnern noch einen Elfmeter schenkte.
Sander als Schlüsselspieler
Das gemeinsame Verteidigen, lange Zeit die Achillesferse der Borussia, war erneut der Schlüssel. »So ist es für jede Mannschaft schwer, gegen uns zu spielen«, sagte Kevin Diks, der seinen Trainer lobte: »Er hat vieles positiv geändert – wir sind sehr flexibel und stark in der Defensive«. Ein wichtiger Baustein dabei ist die neue Rolle von Philipp Sander als rechter Innenverteidiger in der Dreierkette. Polanski schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Er löste die Problematik des Überangebots an Sechsern und schuf sich gleichzeitig den dringend benötigten zusätzlichen Stabilisator in der Kette selbst.
Ob das eine langfristige Lösung ist, »werden wir sehen«, sagte Sander mit sichtlicher Zurückhaltung. So ganz scheint er sich noch nicht damit angefreundet zu haben und flüchtete sich schließlich in die Phrase, dort zu spielen, wo der Trainer ihn aufstellt. Doch Polanskis Plan mit Sander ist zumindest aktuell voll aufgegangen – wie auch die Taktik, Köln mit den eigenen Waffen zu schlagen und nicht in falsch verstandener Derby-Euphorie ins offene Messer zu laufen. »Diese Geschlossenheit, das gemeinsame Agieren, dieses Fighten – die Jungs haben, glaube ich, gar nicht gewusst, wie gut sie eigentlich sind«, sagte Rouven Schröder. »Das Selbstvertrauen ist da und das haben wir uns erarbeitet.«
Kein Grund zur Selbstzufriedenheit
So durften alle Borussen am Samstagabend den Derbysieg in vollen Zügen genießen. Durch die drei Punkte im Prestigeduell haben die Fohlen die Abstiegsränge verlassen und können nach der Länderspielpause in Heidenheim den nächsten großen Schritt machen. In der Zwischenzeit dürfte bei Eugen Polanski das »bis auf Weiteres« aus seiner Jobbeschreibung gestrichen werden. Gleichwohl gibt es nicht mal einen klitzekleinen Grund, sich nun selbstzufrieden zurückzulehnen und in Sicherheit zu wiegen. »Wir haben neun Punkte und damit steigt man ab«, sagte Schröder lapidar. Und auch Kevin Diks mahnte: »Es ist noch ein langer Weg zu gehen«. Aber als Derbysieger fällt das definitiv leichter.
von Marc Basten

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