Einwurf nach dem Bayern-Spiel

Wenn der Bayern-Bonus mal nicht gewährt wird

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Schiedsrichter Welz zeigt Upamecano die Rote Karte (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

In der Nachbetrachtung des unterhaltsamen 3:2-Siegs von Borussia Mönchengladbach über den FC Bayern standen primär der frühe Platzverweis von Münchens Upamecano und der anschließende “Ausraster” vor Trainer Julian Nagelsmann im Fokus des Interesses.

Julian Nagelsmann fühlte sich »verarscht«. Der Trainer der Bayern zog nach der neuerlichen Niederlage des Rekordmeisters im Borussia-Park eine regelrechte Show ab. Vor den TV-Kameras beklagte er sich bitterlich über die ach so skandalöse Fehlentscheidung von Schiedsrichter Welz, als »weichgespültes Pack«, betitele Nagelsmann Welz und Kollegen in der Mixed-Zone. Wohl wissend, dass er damit den Fokus weg von der sportlich spärlichen Darbietung des Münchener Starensembles bewegen konnte.

In der ganzen Aufregung um Nagelsmann und den vermeintlich spielentscheidenden Platzverweis ging aus bayerischer Sicht ein wichtiger Aspekt unter: Selbst in Unterzahl muss ein europäisches Spitzenteam doch in der Lage sein, gegen einen kriselnden Mittelklasseverein, der zuletzt gegen den Tabellenletzten und -vorletzten einen mickrigen Punkt geholt hat, besser zu spielen. Von der Selbstverständlichkeit, mit der Bayern jahrelang die Liga beherrscht hat, ist unter Nagelsmann eine Menge verloren gegangen. Und die Niederlage in Gladbach unterstreicht den Eindruck. Kein Wunder also, dass Nagelsmann von den für ihn wirklich unangenehmen Fakten ablenken wollte.

Alle unterschätzen Pleas Schnelligkeit

Natürlich kann über die Szene in der 8. Minute diskutiert werden. Da war zunächst einmal der Überraschungsfaktor, dass Plea nach Bensebainis feinem langem Pass aus dem Fußgelenk so verdammt schnell unterwegs war. Upamecano unterschätzte Pleas Tempo und auch Sommer, der zunächst weit vor seinem Tor postiert war und hätte rauskommen können, entschied sich für den geordneten Rückzug im Vertrauen auf Upamecanos Tempovorteile gegen Plea. In dem Moment, als Upamecano realisierte, dass Plea unerwartet in die Pole-Position geriet, legte der Münchener Verteidiger zwar an Tempo zu, konnte das Kreuzen des ballführenden Plea aber nicht verhindern.

In vollem Tempo gab es unten einen hauchdünnen Kontakt, oben erfolgte Upamecanos kurzer Griff an Pleas Schulter. Der geriet ins Straucheln, versuchte noch weiter zu laufen und stürzte dann hin. Der ganze Bewegungsablauf mit all seiner Dynamik sah von der Tribüne genauso aus, wie sie Schiedsrichter Welz interpretierte: Es war ein Foul und weil Upamecano als letzter Mann eine klare Torchance verhindert hatte, war ein Platzverweis für eine Notbremse die korrekte Konsequenz. Regeltechnisch war einzig ein Aspekt fraglich: War der Kontakt von Upamecano ursächlich für Pleas Sturz (Foul) oder nicht.

VAR Stieler braucht zweieinhalb Minuten, um eine offensichtliche Fehlentscheidung auszuschließen

Was danach passierte und wie es in der Berichterstattung und diversen Aussagen von Beteiligten und Experten aufgearbeitet wurde, war maximal verwirrend. Es wurde zum einen massiv bemängelt, dass der VAR nicht eingegriffen habe. Das ist allerdings völliger Blödsinn, denn natürlich erfolgte ein Eingriff des VAR. Zwischen dem Zücken der Roten Karte und der endgültigen Aufforderung des Schiedsrichters an Upamecano, das Spielfeld zu verlassen, vergingen zweieinhalb Minuten. So lange brauchte VAR Stieler, um die Situation auszuwerten, wobei er eigentlich nur zu beurteilen hatte, ob seinem Kollegen Welz eine klare und offensichtliche Fehleinschätzung unterlaufen war.

Dies war definitiv nicht der Fall, damit war der VAR raus und es gab auch keinen Anlass, Welz vor den Bildschirm zu zitieren. Das wäre nämlich genau die ‘Enteierung’ des Schiedsrichters gewesen, die zuletzt berechtigterweise so vehement angeprangert wurde. Es war eine Entscheidung im Grauzonenbereich und es gibt nachvollziehbare Argumente, den Einsatz von Upamecano als Foulspiel zu bewerten und genauso hätte man es möglicherweise als noch legalen Eingriff durchwinken können. Aber der Schiedsrichter musste eine Entscheidung treffen und seine Einschätzung war mit Bestimmtheit nicht offenkundig falsch.

Kompliment an Welz, dass er standhaft geblieben ist

Bemerkenswert ist an dieser Sache letztlich nur, dass nicht nur die fußballerische Selbstverständlichkeit der Bayern irgendwo abhandengekommen ist, sondern auch der Bayern-Bonus nicht mehr automatisch inkludiert zu sein scheint. Insofern muss man Schiedsrichter Tobias Welz wirklich ein Kompliment machen. In den unnötig langen zweieinhalb Minuten Spielunterbrechung wurde ihm klar bewusst, wem er da gerade auf die Füße tritt und was das für eine Welle nach sich ziehen wird. Dass er standhaft geblieben ist, verdient Respekt. Was sich Julian Nagelsmann derweil verdient hat, geht in genau die andere Richtung.

 


von Marc Basten

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