Einzelkritik: Holstein Kiel - Borussia Mönchengladbach 4:3 (2:0)

Borussia verstolpert Europa beim Tabellenletzten

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Erneut eine harte Landung für die Gladbacher Borussen (Foto: Stuart Franklin - Getty Images)

Der Traum von Europa ist ausgeträumt, das Saisonziel Einstelligkeit in akuter Gefahr - weil Borussia Mönchengladbach bei Holstein Kiel in einer Mischung aus Naivität und Hilflosigkeit in die nächste Pleite gestolpert ist. Die Einzelkritik:

Jonas Omlin: Hätte in Kiel den von ihm selbst erwarteten Befreiungsschlag landen können. Der Schweizer wehrte sieben Schüsse auf sein Tor ab, einige Paraden waren dabei richtig stark. Doch er kassierte auch vier Gegentore. Beim 0:1 sah Omlin nicht glücklich aus - mit einer etwas anderen Fußstellung und Körperhaltung hätte er den Kopfball aufs lange Eck vermutlich abwehren können. Beim zweiten Gegentor wollte er nach dem Stolperpass von Chiarodia retten, riskierte aber anders als gegen Augsburg keine Notbremse und wurde von Bernhardsson umkurvt. Das dritte Tor muss der 31-Jährige klar auf seine Kappe nehmen - auch wenn seine Kollegen zuvor stümperhaft agierten, so musste er diesen Schuss zwingend abwehren. Beim vierten Gegentreffer hätte es schon eines herausragenden Reflexes bedurft, um den Einschlag im kurzen Eck zu verhindern. Letztlich war es trotz teilweise vorzüglicher Reaktionen das nächste unglückliche Spiel für Jonas Omlin. Note 4,0.

Joe Scally: Machte auf der rechten Seite ein betont unauffälliges Spiel. Dem US-Amerikaner unterlief kein schwerwiegender Fehler, auch wenn er sich einige Ballverluste zu viel erlaubte. Bei seinen wenigen Vorstößen wurde die fehlende Abstimmung mit Čvančara deutlich. Scally hielt sich vermutlich auch deshalb mit Offensivaktionen zurück. Später, als Honorat vor ihm spielte, traute er sich mehr zu. Vor dem 2:2 von Plea war der 22-Jährige weit mit aufgerückt, als er den Ball nach der Neuhaus-Flanke geschickt im Spiel hielt und Assistgeber Honorat bediente. Vor dem dritten Gegentor spielte er einen Querpass auf Weigl, der den Ball verlor. Hier kann man Scally jedoch keinen Vorwurf machen - das war ein in der Situation angebrachter Pass und schlichtweg ein Fehler von Weigl. Ganz am Ende wurde ein Kopfballversuch von Scally geblockt. Note 4,0. 

Ko Itakura: Hätte in der 17. Minute fast ein Tor erzielt, doch Kiels Torwart wehrte den gut gesetzten Kopfball von Itakura ab. Überdies hatte der Japaner in der Abwehrkette alle Hände voll zu tun. Er klärte einige Male und war stabil im Zweikampf, konnte aber auch nicht alles ausbügeln, was durch das löchrige Mittelfeld in den Strafraum kam. Ein nennenswerter individueller Fehler unterlief dem 28-Jährigen nicht. Lediglich in der Schlussphase sah er in einem Laufduell nicht gut aus und hatte Glück, dass Omlin retten konnte. Im Spielaufbau war der Japaner sehr auf Sicherheit bedacht. Drei von sechs langen Pässen kamen an, darüber hinaus war sein Passspiel nahezu fehlerlos. Note 3,5.

Fabio Chiarodia: Gab sein Startelfdebüt in dieser Saison, weil Elvedi kurzfristig passen musste. Chiarodia erwischte keinen schlechten Start, blockte einen Schuss im Anschluss an einen Omlin-Fehlpass und hatte Borussias erste Torchance, als er bei einer Ecke aus der Drehung in Rücklage über das Tor schoss. Doch dann leistete sich der 19-Jährige den fatalen Aussetzer, der zum 0:2 führte. Er verschätzte sich kurz hinter der Mittellinie bei dem langen Ball und verstolperte den Pass in Richtung Omlin. Chiarodia lief zwar noch hinterher, kam aber nicht mehr rechtzeitig, um den Schuss von Bernhardsson vor der Linie abzufangen. Positiv war, dass er sich von diesem Fauxpas nicht aus der Bahn werfen ließ. Er behielt die Nerven und ging keinerlei Risiko mehr ein. Chiarodia verteidigte solide und brachte den Großteil seiner Pässe sicher zum eigenen Mann. Nach 70 Minuten machte er Platz für Friedrich. Note 4,0.

Lukas Ullrich: Ihm fehlte auch in Kiel die letzte Frische, was sich insbesondere in den Defensiv-Zweikämpfen bemerkbar machte. Ullrich war nicht so nah am Mann wie gewohnt und musste die Gegenspieler mehrfach ziehen lassen, ohne eingreifen zu können. Richtig schief wäre das fast bei der Chance von Rosenboom zum möglichen 0:3 gegangen, doch Ullrich korrigierte seinen Stellungsfehler noch, weil er nachsetzte und den Kieler beim Abschluss ausreichend störte. Offensiv kam der 21-Jährige nicht über Ansätze hinaus, lediglich einmal kam er zum Flanken. In der 82. Minute wurde er von Netz abgelöst. Note 4,0. 

Julian Weigl: Startete relativ unauffällig in die Partie, doch als Kiel nach dem Führungstreffer Fahrt aufnahm, wurde es für Weigl zusehends ungemütlicher. Er bekam nur wenig Zugriff bei der Arbeit gegen den Ball und konnte dem eigenen Spiel keine nennenswerten Impulse geben. Die Laufbereitschaft des 29-Jährigen stimmte, aber in den Phasen, in denen er mit kühlem Kopf das chaotische Spiel hätte ordnen sollen, tauchte Weigl ab. Dass ihm die Zweikampfhärte für einen Sechser fehlt, ist hinlänglich bekannt und wurde auch in Kiel offensichtlich. Fatal war die Situation vor dem dritten Gegentor, als er im Aufbau den Ball nach einem technischen Fehler verlor und sich danach nur halbherzig in Richtung Gegner orientierte und keinerlei Druck ausübte. Ein fahriger Ballverlust und keinerlei Willen, den Ball zurückzuerobern - das waren gleich zwei große Fehler in kürzester Zeit. Sechs Minuten später wurde er durch Stöger ersetzt. Note 5,0.

Rocco Reitz: War bemüht, das Spiel anzutreiben und etwas zu initiieren. Dabei zeigte sich zum einen, dass Reitz nicht richtig in Tritt kam und ihm die gewohnte Leichtigkeit fehlte. Zum anderen wirkte vieles wie ein Flickenteppich – wenig abgestimmt und eher dem Zufall geschuldet. Bei der Ecke zum 0:1 war er Machino zugeteilt, ließ den Japaner jedoch ohne Gegenwehr enteilen. Auch bei weiteren Kieler Standards hatte Reitz Probleme mit Machino. In der 17. Minute hatte der 22-Jährige beim Rebound nach dem Itakura-Kopfball die große Ausgleichschance, wurde jedoch durch eine grandiose Grätsche von Ivezic im allerletzten Moment geblockt. Zwei weitere Schussversuche von Reitz von außerhalb des Strafraums blieben in den Kieler Reihen hängen. Nach der Pause war nicht mehr viel zu sehen von Reitz und nach einer Stunde übernahm Neuhaus. Note 4,5.

Tomáš Čvančara: Wenig überraschend hatte der Tscheche auf der rechten Seite wenig zu bestellen. Er mühte sich - auch in der Defensive - aber er ist nun mal kein Rechtsaußen für das System, das Borussia spielt. Daran ändert auch die wirklich gelungene Flanke zur Kopfballchance von Hack nichts. Nach der Pause rückte er neben Kleindienst in die Mitte und verwertete dort die Hack-Hereingabe zum 1:2-Anschlusstreffer. Čvančara war mit den Haarspitzen am Ball, der möglicherweise auch so im langen Eck gelandet wäre. Mit der Hacke legte er für Kleindiensts-Schussgelegenheit auf und auch beim 3:3 war der 24-Jährige beteiligt, als er den Ball geschickt für Kleindienst passieren ließ. Note 4,0.

Alassane Plea: Durfte wieder in der zentralen Rolle spielen, war dort jedoch zunächst überhaupt kein Faktor. Weder im Kombinationsspiel noch als Abschlussspieler trat der Franzose in Erscheinung. Zaghaftes Zweikampfverhalten und ungewöhnliche Schwierigkeiten bei der Ballbehandlung führten zu überaus vielen Ballverlusten. Erst nach der Pause, in den beiden Phasen, in denen Borussia endlich richtig aktiv wurde und jeweils den Ausgleich erzielte, lebte Plea auf. Herausragend, wie er bei seinem Tor zum 2:2 den Ball verarbeitete und im kurzen Eck versenkte. Auch bei der Entstehung des 3:3 war er durch sein Zuspiel auf Kleindienst entscheidend mitbeteiligt. Note 4,0.

Robin Hack: Gewohnt fleißig und bemüht, auch in der Defensivarbeit. Da lief er den einen oder anderen Ball aufmerksam ab. Allerdings unterliefen Hack auch einige Stockfehler - mehrfach haderte er sichtlich mit sich selbst. Insgesamt war der 26-Jährige in der ersten Stunde der agilste Gladbacher Offensivspieler. Auch die Standards lagen in seiner Verantwortung - sie waren zumeist ordentlich. Kurz vor der Pause hatte Hack nach Flanke von Čvančara die Großchance zum Ausgleich. Mit seinem Kopfballaufsetzer machte er fast alles richtig, doch Kiels Torwart lenkte den Ball mit einem Blitzreflex an die Latte. Nach der Pause kam er über die rechte Seite, wo er relativ unauffällig blieb. Seine letzte Aktion war die Hereingabe von links, die Čvančara zum Anschlusstreffer verlängerte. Alsdann übernahm Honorat. Note 3,5.

Tim Kleindienst: Gewann laut Statistik die meisten Zweikämpfe aller Akteure auf dem Platz (12), kein Gladbacher Spieler lief mehr (10,8 Kilometer) und keiner seiner Mannschaftskollegen zog so viele Sprints an (28). In seiner Rolle als zentraler Stürmer war er dagegen wirkungslos, weil einmal mehr keine brauchbaren Flanken kamen und er auch ansonsten im Strafraum nicht eingesetzt wurde. Eine gewisse Frustration wird mittlerweile auch in der Körpersprache von Kleindienst offensichtlich, der lange nicht mehr so vehement motivierend auf die Mitspieler einwirkt, wie über weite Strecken der Saison. Nach einer Ablage von Čvančara gab Kleindienst seinen ersten und einzigen Torschuss ab, der zu mittig auf den Torwart geriet. Seine beste Szene hatte der Nationalspieler vor dem 3:3, als er überlegt auf Honorat ablegte und damit einen Assist verbuchen konnte. Sehr unglücklich war dagegen die Aktion beim Siegtreffer der Kieler, als Kleindienst nach einer Ecke zunächst per Kopf klärte, dann aber den erneut in den Strafraum geschlagenen hohen Ball genau vor die Füße von Torschütze Machino köpfte. Note 4,0. 

Franck Honorat (60. Minute für Hack): Belebte das Gladbacher Spiel ganz eindeutig, war energisch und zielstrebig unterwegs und stellte die Gegenspieler vor große Probleme. Das 2:2 bereitete er mit sehr viel Entschlossenheit und Übersicht vor und bei seinem Tor zum 3:3 schloss er überlegt ab. Ohne Note. 

Florian Neuhaus (60. Minute für Reitz): Hatte ein paar Aktionen auf der halblinken Seite, in denen er seine fußballerischen Fähigkeiten andeutete. Ein Schuss mit dem Innenrist aufs lange Eck wurde geblockt. Bei der Entstehung des 2:2 war Neuhaus mit seiner Flanke auf Scally beteiligt. In der Rückwärtsbewegung ließ sich Neuhaus zweimal sehr einfach ausspielen. Ohne Note. 

Marvin Friedrich (71. Minute für Chiarodia): Spulte emotionslos sein Pflichtprogramm ab. In einigen Situationen schien die letzte Entschlossenheit zu fehlen. Ob dies etwas damit zu tun hat, dass er im Ranking der Innenverteidiger mittlerweile hinter Chiarodia steht, ist spekulativ. Ohne Note. 

Kevin Stöger (82. Minute für Weigl): Versuchte ein wenig Struktur ins Spiel zu bringen, alle seine zwölf Pässe kamen an. Dass Borussia nach dem 3:3 sofort wieder wackelte, konnte auch Stöger nicht verhindern. Ohne Note. 

Luca Netz (82. Minute für Ullrich): Klärte bei einem Laufduell den Ball ins Seitenaus, ansonsten fiel er nicht mehr auf. Ohne Note.

 


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