Einwurf nach dem Spiel beim VfB Stuttgart

Die fatale Fehlerkette von VAR und Schiedsrichter

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Denn sie wissen nicht was sie tun - Dr. Brych beim Videostudium (Foto: imago images)

Borussia Mönchengladbach wurde in Stuttgart der Sieg geklaut - in der 96. Minute durch eine fatale Fehlerkette von VAR und Schiedsrichter. Der Aufreger am Schluss überschattet die Partie beim VfB.

Es ist nie gut, ein Fußballspiel in der Nachbetrachtung fast ausschließlich auf eine Situation zu reduzieren. Doch in diesem Fall überstrahlt die Elfmeterentscheidung in der sechsten Minute der Nachspielzeit in Stuttgart alles, was zuvor auf dem Platz passiert ist. Denn hier beeinflussten VAR und Schiedsrichter regelwidrig den Spielausgang, was Gladbach zwei Punkte kostete.

Was war geschehen? In der Nachspielzeit segelte beim Stand von 1:2 eine letzte Stuttgarter Flanke in den Gladbacher Strafraum. Diese war nicht präzise, ewig lange in der Luft und landete weit hinter dem zweiten Pfosten. Dort hatte sich Stuttgarts Zwei-Meter-Stürmer Sasa Kalajdzic mit Ramy Bensebaini im Rücken mit Blick auf den Ball rückwärts orientiert. Bensebaini griff um den Brustkorb des Angreifers, der kurz darauf im Getümmel nach hinten in Bensebaini hineinfiel. Schiedsrichter Dr. Brych hatte freie Sicht und zeigte ›Weiterspielen‹ an.

Verhalten von Bensebaini ist unzweifelhaft risikoreich und nicht sonderlich geschickt

Doch dann meldete sich der VAR im Kölner Keller. Bibiana Steinhaus funkte Brych an, dass das Klammern von Bensebaini möglicherweise ein elfmeterreifes Foul gewesen sein könnte. Brych unterbrach das Spiel, ging in die ›Review-Area‹ und entschied nach schnellem Blick auf die Bilder in der 96. Minute auf Elfmeter. Stuttgarts Wamangituka verwandelte sicher und rettete dem VfB einen Punkt. Soweit der Verlauf.

Doch schon sehr schnell wurde dem Beobachter beim Betrachten der Fernsehbilder gewahr, dass da im Zusammenspiel zwischen VAR und Schiedsrichter einiges ziemlich schief gelaufen sein musste. Spätestens bei der zweiten Zeitlupe wurde deutlich, dass hier nicht nur eine falsche Einschätzung vonseiten der Unparteiischen vorlag, sondern eine fatale Fehlerkette. Doch der Reihe nach: Fakt ist, dass Bensebaini seine Arme um den Brustkorb von Kalajdzic legt. Das ist unzweifelhaft risikoreich und nicht sonderlich geschickt. Aber Fußball ist nun mal kein körperloses Spiel und in dieser Situation galt es zu beurteilen, ob das Klammern von Bensebaini ursächlich für den Sturz von Kalajdzic und demnach ein elfmeterreifes Foulspiel war.

Der erste Eingriff des VAR war bereits irregulär

Für Schiedsrichter Dr. Brych war es ursprünglich zu wenig, um Elfmeter zu pfeifen. Doch dann folgte die erste Regelwidrigkeit: Bibiana Steinhaus meldete sich aus dem Kölner Keller. Ein solcher Eingriff hat den Regeln nach nur dann zu erfolgen, wenn der Feldschiedsrichter eine Situation überhaupt nicht wahrgenommen hat, oder eine klare und eindeutige Fehlinterpretation vorliegt. Doch Brych hatte freie Sicht und dass er weiterspielen ließ, war alles andere als eine klare Fehlentscheidung. Dieser Eingriff des VAR war demnach bereits irregulär und setzte eine Kette an weiteren Fehlgriffen in Gang.

Brych schaute sich die Bilder an, bekam jedoch nicht alle Einstellungen zu sehen. Bei genauerer Betrachtung hätte er deutlich erkennen können, dass die Ursache für den Sturz von Kalajdzic nicht die Berührung Bensebaini, sondern ein Tritt des Stuttgarters Anton war, der den eigenen Mann trifft. Dies erkannte weder das Team von Steinhaus in Köln, noch Brych bei seinem schnellen Blick auf den Monitor. Während sonst strittige Szenen aus unzähligen Perspektiven beurteilt, Einzelbilder minutenlang vor- und zurückbewegt werden, wurde hier im Schnelldurchgang entschieden. Ein doppelter Doppelfehler von VAR und Schiedsrichter.

Brych will nun plötzlich erkannt haben, dass hier ein klares Foul vorliegt

Doch es wird noch krasser und unverständlicher. Weil weder Brych noch Steinhaus die richtige Ursache (Tritt von Anton) erkannten, fokussierten sie sich auf das Halten von Bensebaini. Brych will nun plötzlich erkannt haben, dass hier ein klares Foul vorliegt und er bei seiner ersten Wahrnehmung völlig schiefgelegen hat. Dabei geben selbst die schlechtesten Kameraeinstellungen das nicht her. Und gleich mehrere Perspektiven zeigen überdeutlich, dass Bensebainis Kontakt niemals dafür sorgen kann, dass der Spieler so nach hinten fällt. Das hat Brych im realen Ablauf richtig gesehen und die Videobilder lassen ebenfalls keinen anderen Schluss zu - selbst ohne Anton als den wahren Auslöser zu berücksichtigen. Welche Bilder Brych zur Korrektur seiner ursprünglichen Entscheidung bewogen haben könnten, ist absolut rätselhaft.

Ähnlich mysteriös war das anschließende Interview von Dr. Brych bei Sky, wo er herumeierte und weder sich, noch den VAR wirklich in die Verantwortung nahm. Stattdessen lobte er sich sogar noch für seine ansonsten (angeblich) gute Spielleitung. Letztlich war Brychs Statement eine ähnliche Frechheit wie die Aneinanderreihung offensichtlicher Pannen und Fehleinschätzungen zuvor.

Eine derartige Fehlerkette darf nicht einfach toleriert werden

Man kann es drehen und wenden wie man will - Borussia Mönchengladbach wurden in Stuttgart zwei Punkte geklaut. Das ist ärgerlich, aber nicht mehr zu ändern. Von daher sollte man aus Gladbacher Sicht einen Strich drunter machen und sich auf die nächsten Aufgaben konzentrieren. Beim DFB muss man die Sache allerdings dringend aufarbeiten. Eine derartige Fehlerkette darf nicht einfach toleriert werden, wenn man irgendwann mal dahinkommen will, dass die theoretisch sinnvolle Institution des VAR wirkliche Akzeptanz erlangt.

 


von Marc Basten

 

Nachtrag: Der DFB hat am Sonntag durch den ‘Projektleiter VAR’ Dr. Jochen Drees Stellung zu den Vorgängen bezogen. Dies kann hier - auf eigene Gefahr - nachgelesen werden. Die Argumentation ist hanebüchen und ist einzig darauf ausgelegt, die Fehlentscheidungen krampfhaft zu legitimieren. Drees behauptet, dass das ›Stolpern über die Füße von Anton‹ sehr wohl vom VAR erkannt worden sei - aber nicht als relevant angesehen wurde. Das ist einerseits unverschämt, andererseits aber auch keine große Überraschung. Man müsste schließlich Größe zeigen, um Fehler einzugestehen. Und dort Größe vorauszusetzen, wäre gewiss sehr naiv.

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