Was als märchenhafte Saison hätte enden können, endete als bittere Lektion. Das klar formulierte Saisonziel der Einstelligkeit wurde verfehlt, Europa blieb ein Traum, und zurück bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass diese Mannschaft in den entscheidenden Momenten verkrampfte und nicht in der Lage war, die große Chance beim Schopf zu packen.
Die Ausgangslage war perfekt: Nichts muss, alles kann - so überschrieben wir den Einwurf vor dem Schlussspurt Ende März. Eigentlich konnten die Borussen nur gewinnen, doch sie traten rätselhaft ängstlich auf. Am Ende war es nicht die fehlende Qualität, die den Fohlen den Erfolg kostete. Es war die Mentalität, die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt über sich hinauszuwachsen. Eine Mannschaft, die nichts mehr zu verlieren hatte, spielte, als hätte sie alles zu verlieren.
Nur Angst und Selbstzweifel
Die Frage nach dem Warum wurde in den vergangenen Wochen immer und überall gestellt. Eine richtige Antwort gibt es nicht. Wie so oft war es wohl das Zusammenspiel vieler kleiner Faktoren, das am Ende dazu führte, dass schließlich gar nichts mehr zusammenpasste. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte dabei auch Trainer Gerardo Seoane. Er hat es in dieser entscheidenden Phase offensichtlich nicht geschafft, die Mannschaft zu packen und den notwendigen Enthusiasmus zu entfachen.
Im vergangenen Jahr, als es gegen den Abstieg ging, gelang es dem Pragmatiker Seoane, die Mannschaft mit seinem risikolosen Fußball gerade noch vor dem Absturz zu bewahren. Doch jetzt, wo Mut und Begeisterung gefragt waren, gab es nur Angst und Selbstzweifel. Niemand erwartet von Seoane, dass er wie ein Klopp zähnebleckend durch die Kabine tobt oder am Spielfeldrand den Einpeitscher gibt. Doch dass ihm offenbar die Mittel fehlen, seine Spieler auf mentaler Ebene richtig zu erreichen, ist durchaus bedenklich.
Seoane ist ein Teil der Probleme
In einer Zeit, in der sich die Spieler in Athletik und Technik oft nur noch in Nuancen unterscheiden, kommt es umso mehr auf das Mindset der Mannschaft an. Dieses entwickelt sich einerseits aus dem Team selbst, wenn sich interne Hierarchien herausbilden und Führungsspieler vorangehen. Mindestens genauso wichtig ist aber der Trainer, der seine Spieler so sehr für seine Idee und die gemeinsame Sache euphorisieren muss, dass sie für ihn durchs Feuer gehen. Das hat Gerardo Seoane in der ‘Crunch-Time’ zum Ende der Saison nicht mal annähernd geschafft und auch zuvor ist er nicht als der große Motivator in Erscheinung getreten.
Das macht Seoane nicht zu einem grundsätzlich schlechten Trainer, aber es bestätigt die vielen Zweifler, die es dem Schweizer nicht zutrauen, in seinem dritten Jahr mehr auf die Beine zu stellen als zuvor. Noch einmal zur Klarstellung: Gerardo Seoane trägt bei Weitem nicht die alleinige Verantwortung für das enttäuschende Saisonfinale, und ein Trainerwechsel würde mit Sicherheit nicht die vielfältigen Probleme bei Borussia lösen. Dennoch ist auch Seoane ein nicht unerheblicher Teil dieser Probleme und mehr denn je muss die Frage gestellt werden, ob er der richtige Mann am richtigen Ort ist.
von Marc Basten