Es war kein einfacher Tag für Anhänger von Borussia Mönchengladbach. Die Fans vor Ort in der Allianz-Arena konnten zumindest sich und den Mythos Borussia feiern und werden mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, dass sich die Mannschaft nicht hat abschießen lassen. Die ganze Folklore mit der Meisterfeier, dem Müller-Abschied und Max Eberl in Lederhosen konnte man sich im Stadion schön singen und/oder trinken.
Den Fans an den TV-Geräten blieb nur das eine oder andere Kaltgetränk mehr als üblich, weil die Bilder und Kommentare aus der Allianz-Arena nüchtern sehr schwer zu ertragen waren. Beim Bezahlsender Sky gab es gar einen Sonderkanal mit einer ‘Müller-Cam’. Immerhin hat Sky gegenüber DAZN den Vorteil der “Stadiontonoption“, mit der man das unsägliche Geschwätz der Kommentatoren und Experten während des Spiels ausblenden kann.
Eher gepflegter Sommerfußball als ein ernsthafter Kampf alter Rivalen
Wer sich also im Stadion oder am TV freimachen konnte von all dem Brimborium und auf das Spiel fokussierte, der konnte rasch erkennen, was an diesem Abend zu erwarten war. Borussia spielte erstmals in dieser Saison von Beginn an mit Weigl in einer Fünferabwehrkette und statt der üblichen vier offensiven Spieler waren es dieses Mal nur drei. Saftey first also bei Gladbach, was jedoch keine verwerfliche Herangehensweise in München ist. Besonders unter dem Aspekt, dass man in den vergangenen Wochen selbst gegen Abstiegskandidaten eine Flut an Gegentoren zugelassen hat.
Die Bayern wiederum begannen mit angezogener Handbremse um zunächst abzuchecken, mit welcher Aggressivität die Gladbacher zu Werke gehen würden. Alsbald war den Münchnern klar, dass die Borussen gerne mitspielen wollten, aber das mit der Intensität und Härte eher freundschaftlich angingen. Und so entwickelte sich ein Spiel, das eher nach gepflegtem Sommerfußball als nach einem ernsthaften Kampf zweier alter Rivalen aussah.
Gänzlich untypisch: Neuer hält gut gegen Gladbach
Das Pressing, mit dem die Bayern in dieser Spielzeit manchen Gegner erdrückt haben, mussten die Borussen allenfalls in Ansätzen über sich ergehen lassen. Und weil die Münchner einige Male sehr nachlässig passten, gelangen den Gladbachern viele Balleroberungen, aus denen sie teilweise gefällige Gegenangriffe starten konnten. Freilich ohne daraus wirklich Kapital schlagen zu können, denn in der letzten Linie waren die Bayern dann doch im Wettkampfmodus oder hatten das Glück, dass Manuel Neuer - gänzlich untypisch, wenn es gegen Gladbach geht - gut hielt.
Als dann nach einer halben Stunde Harry Kane mit seiner Kopfballverlängerung für die Führung des Rekordmeisters sorgte, gab es für die Bayern keinen Grund, die Schlagzahl nennenswert zu erhöhen. Die Borussen spielten derweil weiter anständig mit, ohne die Münchner irgendwie aus der Reserve zu locken. Gerardo Seoane bemängelte anschließend die fehlende Kaltschnäuzigkeit seiner Mannen beim Abschluss und tatsächlich ließen Kleindienst, Čvančara oder Stöger hervorragende Gelegenheiten auf den Ausgleichstreffer liegen.
Kein Anlass für Schönfärberei
Gleichwohl war offensichtlich, dass die Bayern jederzeit in der Lage sein würden, drei Gänge hochzuschalten, wenn es nötig werden sollte. Das wurde es nicht, weil die Gladbacher zwar weiter veritabel mitspielten, aber doch die letzte Konsequenz nicht auf den Platz brachten. Und so rundeten die Münchner ihre Pflichtaufgabe in der 90. Minute mit dem 2:0 ab und begannen mit den Feierlichkeiten. Die Borussen konnten derweil die Allianz-Arena erhobenen Hauptes verlassen und für sich reklamieren, dass man sich respektabel präsentiert hat.
Für eine tiefergehende Analyse war dieses Spiel aufgrund der Umstände und der Umsetzung auf dem Platz ein Muster ohne Wert. Was bleibt, sind die harten Fakten: Borussia hatte Ende März nach dem 27. Spieltag 43 Punkte und hat nun nach dem 33. Spieltag gerade einmal zwei Zähler mehr. Sechs Spiele in Folge ohne Sieg sind angesichts der vielversprechenden Ausgangsposition sehr ernüchternd und daher gibt auch der unter dem Strich achtbare Auftritt in München keinen Anlass für wie auch immer geartete Schönfärberei.
von Marc Basten