Ende Juli 2023, im Trainingslager von Borussia Mönchengladbach am Tegernsee, zeigte sich Sportdirektor Roland Virkus sichtlich erleichtert, als er die Vertragsverlängerung von Florian Neuhaus verkündete. Neuhaus sei „ein guter Zocker und intelligenter Spieler“, der hervorragend zum Spielstil der Borussia passe. Umso größer war die Freude darüber, dass sich Neuhaus entschieden hatte, seinen ursprünglich bis 2024 laufenden Vertrag vorzeitig bis 2027 zu verlängern.
Von Virkus fiel in diesem Moment ein gewisser Druck ab. Borussia hatte zuvor mehrere schmerzhafte ablösefreie Wechsel über sich ergehen lassen müssen und als oberste Prämisse galt, künftig nicht mehr in diese ruinösen Fallen zu tappen. Neuhaus hätte also im Sommer 2023 verkauft werden müssen - oder aber man einigt sich auf eine Vertragsverlängerung. Letztere kam zustande, weil es zum einen keinen wirklich ernsthaften Interessenten gab und zum anderen, weil sich Borussia die neuerliche Unterschrift von Neuhaus einiges kosten ließ und ihn zum Topverdiener machte.
Neuhaus war mal begeistert von Seoane
Die sportliche Perspektive schien gegeben, denn der neue Trainer Gerardo Seoane hatte den Daumen gehoben und wollte mit dem Ex-Nationalspieler zusammenarbeiten. »In den Gesprächen war für mich auch wichtig, in welchem System der Trainer spielen will, wie er mich sieht und ob es meine Position in dem System überhaupt gibt - das konnte alles positiv beantwortet werden«, sagte Neuhaus damals. Die Rolle wurde als “Achter” definiert, der dynamisch mit nach vorne gehen kann. »Ich sehe mich nicht in vorderster Linie als zweite Spitze und auch nicht als aggressiven Sechser vor der Abwehr«.
Neuhaus sprach mit gewisser Euphorie über Seoane: »Ich habe von den ersten Gesprächen an gemerkt, dass sich das deckt, wie er über Fußball denkt und spielen lassen möchte«. Doch die Begeisterung kühlte relativ schnell ab. Seoane setzte zwar zunächst auf Neuhaus, doch so richtig warm wurde er mit dessen Spiel nicht. Im Verlauf der Saison bekam Neuhaus immer weniger Einsatzzeiten und als der Negativstrudel in Richtung Abstiegskampf so richtig Fahrt aufgenommen hatte, ignorierte ihn Seoane so offensichtlich, dass man sich tatsächlich fragen musste, was Neuhaus wohl verbrochen haben mag.
Eine Trennung ist die einzig logische Konsequenz
Auch in der abgelaufenen Saison blieb Neuhaus eine Randfigur. Von insgesamt 3.060 möglichen Bundesliga-Minuten stand er lediglich 368 Minuten auf dem Platz. Bei seinen 18 Einsätzen wurde er 16-mal eingewechselt und absolvierte nur ein einziges Spiel über die volle Distanz. In zwölf weiteren Partien wärmte er sich zwar auf, kam jedoch nicht zum Einsatz. Gerardo Seoane hatte weiterhin offenkundig keine Verwendungsmöglichkeit für einen der teuersten Spieler im Kader.
Fest steht: Nach diesen für beide Seiten enttäuschenden, nahezu verlorenen zwei Jahren muss im Sommer eine Veränderung her. Da kaum anzunehmen ist, dass der Trainer sein System plötzlich so umstellt, dass Florian Neuhaus zur zentralen Figur wird, scheint eine Trennung die einzig logische Konsequenz zu sein. Borussia kann sich einen derart hoch dotierten Bankspieler nicht leisten, und Neuhaus muss sich andernorts beweisen, wenn er nicht endgültig in der (gut bezahlten) Bedeutungslosigkeit verschwinden will.
Einen hohen Transfererlös wird es nicht geben
In der Gerüchteküche taucht der Name Florian Neuhaus mittlerweile öfter auf. Über ein Interesse des FC Augsburg wird schon länger berichtet, zuletzt wurde sogar orakelt, dass Fortuna Düsseldorf Neuhaus für die zweite Liga begeistern könnte. Einen gewissen Markt dürfte es für Neuhaus geben - allerdings auf einem deutlich reduzierten finanziellen Niveau. Das wird das künftige Gehalt von Neuhaus betreffen, aber auch die Ablösesumme, die Borussia erzielen kann. Mit dem Erlös wird man keine nennenswerten Sprünge machen können.
Letztlich bleibt die Frage offen, warum sich das Verhältnis zwischen Borussia und Neuhaus zu einem derart großen Missverständnis entwickeln konnte. Beide Seiten kannten einander gut, und auch wenn Gerardo Seoane zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung noch kein vollständiges Bild von Neuhaus hatte, war ihm durchaus bewusst, mit welchem Spielertyp er es zu tun bekommen würde. Es war nie ein Geheimnis, dass Neuhaus’ Stärken nur dann zur Geltung kommen, wenn das System entsprechend konfiguriert wird und die passenden Mitspieler in den richtigen Rollen agieren. Dennoch entstand von Beginn an nicht der Eindruck, dass Seoane seine Nummer 10 als Schlüsselspieler betrachtete.
Kein durchdachter Plan
Und damit muss man wieder den Bogen zu Roland Virkus und seiner Kaderpolitik schlagen. Die Vertragsverlängerung mit Neuhaus im Sommer 2023 folgte offensichtlich keinem durchdachten Plan, ihn als zentrale Figur im Gladbacher Spiel zu etablieren. Vielmehr ging es darum, das drohende Problem des auslaufenden Vertrags zu lösen – in der Hoffnung, dass sich alles Weitere schon irgendwie ergeben würde. Doch auch wenn die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, dürfte in diesem Fall nichts mehr zu retten sein.
von Marc Basten