Nach dem Schlusspfiff in der nasskalten Mainzer Arena hatte Eugen Polanski noch eine erwärmende Nachricht für seine Spieler parat. Er verkündete, dass nicht nur das Wochenende trainingsfrei sei, sondern auch noch der Montag. Das führte zu einem ausgelassenen Jubel der Spieler, die zuvor für den dritten Auswärtssieg in Folge – und das jeweils ohne Gegentor – gesorgt hatten.
Das Spiel am Freitagabend war gewiss kein fußballerischer Leckerbissen, aber das konnte auch niemand erwarten. »Wir wussten, dass es eklig wird, aber das haben wir angenommen«, sagte Yannik Engelhardt anschließend. »Mal eklig zu gewinnen, macht auch Spaß.« Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass Borussia Mönchengladbach in den vergangenen Jahren gerade in solchen Spielen dazu neigte, sich den Schneid abkaufen zu lassen und einem angeschlagenen Gegner Aufbauhilfe zu leisten, indem man sich mit wenig Widerstandsfähigkeit frühzeitig ergab.
Eine geschlossene Mannschaftsleistung
Doch das hat sich unter Polanski definitiv geändert. »Das war eine geschlossene Mannschaftsleistung, bei der die Leidenschaft als Gruppe im Vordergrund stand«, lobte Sportchef Rouven Schröder. Jens Castrop ergänzte: »Wir haben eine brutal starke Formation gefunden und ein Verständnis und Vertrauen füreinander entwickelt.« Gerade Castrop nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein: Als unberechenbarer Irrwisch war er vor allem im ersten Durchgang einmal mehr überall auf dem Platz zu finden.
Die Borussen waren nach einer Abtastphase zu Beginn das spielbestimmende Team und sorgten mit ihrem stabilen Auftritt dafür, dass die Mainzer sich schwer taten. Gladbach bot nichts an und so wurden die Probleme des angeschlagenen Tabellenletzten offensichtlich. Die vielen Veränderungen, die Interimscoach Hoffmann kurzfristig vorgenommen hatte, entfalteten keine Wirkung. Im Gegenteil – die Mainzer wirkten bei den klaren Abläufen auf Gladbacher Seite noch unbeholfener.
Skurrile Regelauslegung
Jens Castrop verpasste die Großchance zur Führung und unmittelbar darauf folgte das Mainzer Eigentor, das vom VAR wieder einkassiert wurde. Diese Szene erhitzte die Gemüter, konnte im Nachgang aber relativ gelassen abmoderiert werden, weil sie nicht spielentscheidend war. Dennoch greift die Begründung „Regel ist Regel“ in diesem Fall zu kurz. Denn in Regel 12 heißt es, dass der Spieler, der ins Tor trifft, den Ball nicht mit der Hand berühren darf. Dabei spielt die Absicht keine Rolle und es ist auch unerheblich, ob der Ball durch die Handberührung die Richtung verändert.
In diesem Fall gilt „Hand ist Hand“. Doch eben nur, wenn es der Spieler ist, der ins Tor trifft. Das war hier der Mainzer Leitsch und Engelhardt hatte mit der Torerzielung nichts zu tun – außer, dass der Ball seine Hand hauchzart touchierte. »Wenn das Handspiel ist, bei aller Liebe. Zum Glück haben wir gewonnen, weil das ist nicht im Sinne des Sports«, echauffierte sich Engelhardt. Der war nach eigenem Bekunden direkt zum Schiedsrichter gelaufen und wollte das klarstellen – und hat die Unparteiischen womöglich erst darauf gebracht, nochmal genauer hinzuschauen. Denn nur in einer Kameraeinstellung lässt sich die leichte Berührung erahnen, während aus allen anderen Perspektiven nichts zu erkennen ist.
Da Costas verlängerter Rücken bringt Gladbach den Sieg
Wie dem auch sei – dank der konstruierten Detektivarbeit im Kölner Keller wurde Borussias Führungstor einkassiert und es ging schließlich torlos in die Kabinen. Die optische Überlegenheit konnten die Gladbacher nicht in etwas Zählbares ummünzen, und nach Wiederanpfiff war zum ersten und einzigen Mal Moritz Nicolas richtig gefordert, der die Chance von Weiper zunichtemachte. Das Spiel war nun ausgeglichener, aber die Borussen hielten defensiv die Ordnung und ließen – bis auf eine weitere Kopfballchance für Weiper – nichts mehr zu.
Auf der anderen Seite hatte Castrop seine zweite Megachance des Abends und fand im Mainzer Keeper seinen Meister. Die darauffolgende Ecke brachte dann das zweite Eigentor des Abends – und dieses Mal hatte es Bestand. Tabaković köpfte Da Costa an den verlängerten Rücken und mit einer schönen Flugbahn landete der Ball im Mainzer Tor. Das war für die Gastgeber natürlich extrem bitter und irgendwie typisch für ein Team, das am Tabellenende steht und das Pech gepachtet zu haben scheint.
»Die Defensive ist das A und O«
Die Borussen, die sich noch vor wenigen Wochen ähnlich gefühlt hatten, verteidigten den knappen Vorsprung leidenschaftlich über die Zeit. »Am Ende ist es etwas passiv geworden«, musste Rocco Reitz eingestehen. »Da haben auch ein wenig die Körner gefehlt.« Doch gemeinsam brachten die Gladbacher diesen Arbeitssieg über die Zeit. Drei Auswärtsspiele in Folge haben die Borussen nun gewonnen, ohne ein Gegentor zu kassieren. In den letzten fünf Ligaspielen musste Moritz Nicolas nur einmal hinter sich greifen – beim Witz-Elfmeter im Derby in der Nachspielzeit. »Die Defensive ist das A und O«, sagte Yannik Engelhardt. »Die Statistik dürfen wir gerne so fortführen.«
von Marc Basten

