Einwurf nach dem Spiel in Augsburg

Borussias Tanz auf der Rasierklinge in Augsburg

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Für Luca Netz war das Spiel in Augsburg in mehrerlei Hinsicht eine schmerzhafte Angelegenheit (Foto: Christof Stache - Getty Images)

Es war ein kurioses erstes Saisonspiel für Borussia Mönchengladbach beim FC Augsburg. Die Fohlen sind knapp einer Katastrophe entkommen und können sich durch den späten Ausgleich sogar ein wenig als Gewinner fühlen. Doch es gilt nun, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Knapp eine halbe Stunde war in der warmen Augsburger Arena absolviert, da kam für einen kurzen Moment der Gedanke auf, als ob der Umbruch bei Borussia Mönchengladbach doch schneller vorangehen könnte, als allgemein erwartet. Die Fohlenelf war bis dahin beim ‚Auswärts-Angstgegner‘ extrem schnörkellos unterwegs und führte bereits mit 2:0. Ein Kopfballtor durch Itakura nach einer Ecke und ein trockener Knaller des neuen Mittelstürmers Cvancara – das konnte sich wahrlich sehen lassen. Dass die Borussen die Führung mit relativ einfachen fußballerischen Mitteln erreicht hatten, war nebensächlich. Eine solch komfortable Führung auf des Gegners Platz sollte Sicherheit und Vertrauen geben. 

Doch mit dem Anschlusstor der Augsburger fast postwendend nach dem zweiten Gladbacher Treffer näherten sich alle Borussen wieder dem Boden der Tatsachen. Das bestätigte sich im weiteren Verlauf, als man Augsburg trotz des zwischenzeitlichen 3:1 wieder zurück ins Spiel holte und mit einem 3:3 in die Pause ging. Das war zwar für den neutralen Beobachter gewiss spektakulär, aus Sicht der Borussen jedoch ziemlich dämlich. Eine so exzellente Ausgangsposition aus der Hand zu geben, ohne dass der Gegner wirklich zwingend geworden wäre – das Remis zur Pause fühlte sich wie eine sich anbahnende Niederlage an. 

Elfmeterentscheidung war wohl eine ausgleichende Ungerechtigkeit

Und die nahm knapp eine Viertelstunde vor dem Ende bedrohliche Formen an, als Vargas die plumpen Verteidigungsversuche der Borussen mit dem vierten Augsburger Tor bestrafte. Der Super-Gau drohte, denn eine Niederlage nach so einem Spielfilm würde mehr Schaden anrichten, als nur den Ärger über ein verlorenes Auftaktmatch. Sie hätte der Aufbruchstimmung und dem Glauben an den neuen Teamgeist einen harten Schlag versetzt und möglicherweise wären die zarten Pflänzchen Hoffnung, die in den vergangenen Wochen gewachsen sind, kurzerhand zertrampelt worden. 

Umso wichtiger war es, dass tief in der Nachspielzeit noch der Ausgleich fiel. Die Fernsehbilder belegen nicht eindeutig, dass Borges Sanches von Vargas getroffen wurde. Doch da der Augsburger Elfmeter auch alles andere als ein ‚Muss-Strafstoß‘ war (und erst recht keine klare Fehlentscheidung, die das Eingreifen des VAR notwendig gemacht hätte), kann man wohl von ausgleichender Ungerechtigkeit sprechen. 

Lange Bälle auf die schnellen Leute sind ein probates Stilmittel

So sind die Borussen bei dem Tanz auf der Rasierklinge in Augsburg noch mal mit einem blauen Auge davongekommen. Dass es eine Menge aufzuarbeiten gibt, hat Gerardo Seoane bereits kurz nach dem Spiel bestätigt. Die Offensivabteilung machte mit dem geradlinigen und schnellen Spiel einen guten Eindruck, zumal im ersten Durchgang auch die Effektivität stimmte. Lange Bälle auf die schnellen Leute sind ein probates Stilmittel, auch wenn dies in Gladbach in der letzten Dekade eher verpönt war. Dennoch benötigt es auch längere Ballbesitzphasen, um den Rhythmus zu bestimmen. Aber dies kann man sich erarbeiten und wird mit der Zeit gewiss folgen. 

Problematischer ist es schon mit der Kompaktheit in der eigenen Hälfte. Neuhaus sieht sich selbst nicht als Sechser und seine Defensivzweikämpfe unterstreichen das. Plea hält sich in den direkten Duellen ebenfalls zurück, Ngoumou und Honorat auf den Seiten machen zwar die Wege zurück, sind aber auch keine Zweikampfmonster. Da bleibt dann nicht mehr viel an Abwehrverbund, zumal sich die Außenverteidigerpositionen immer deutlicher als Achillesferse der Borussia herauskristallisieren. 

Objektive Anzeichen, dass sich Netz in seinem Abwehrverhalten verbessert, gibt es bislang nicht.

Joe Scally ist zwar der stabilere der beiden, aber auch er hat immer wieder Flüchtigkeitsfehler im Repertoire. In Augsburg war er beim zweiten und vierten Gegentor involviert. Und Luca Netz unterstrich erneut nachdrücklich, dass ihm für einen Linksverteidiger in der Bundesliga deutlich zu viele Defensiv-Grundlagen fehlen. Selbst sein ordentliches Tempo bringt nichts, wenn er ständig falsche Entscheidungen trifft und sich mit den simpelsten Mitteln austricksen lässt. Objektive Anzeichen, dass sich Netz in seinem Abwehrverhalten verbessert, gibt es bislang nicht. Ihn weiter als 1-A-Lösung hinten links in der Viererkette zu sehen, erscheint höchst riskant. 

In Summe verwundert es also nicht, dass den Borussen in dieser Konstellation in Augsburg die Kompaktheit etwas abging. Die Gastgeber kamen über weite Strecken der Partie zu einfach bis an den Gladbacher Strafraum und bei etwas mehr individueller Qualität – wie sie zum Beispiel Borussias nächster Gegner Leverkusen mitbringt – hätten sie den Borussen noch mehr als die vier Gegentore einschenken können. Zum Glück steht am Ende dieser eine Punkt, der besonders wichtig für die Moral ist. Jetzt gilt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen, an den Missständen zu arbeiten und sich etwas einfallen zu lassen, um es Bayer Leverkusen nicht so einfach zu machen. 

 


von Marc Basten
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