Einzelkritik: Borussia Mönchengladbach - Hamburger SV 0:3 (0:2)

Neben der Spur

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Festgerannt - Julian Korb (Foto: Olaf Kozany / TORfabrik.de)

Festgerannt - Julian Korb (Foto: Olaf Kozany / TORfabrik.de)

Das 0:3 daheim gegen den Hamburger SV war in vielerlei Hinsicht ein erschreckendes Spiel von Borussia Mönchengladbach. Aussetzer, Angst und Alibi-Fußball prägten den Auftritt der Fohlenelf. Die Einzelkritik bietet entsprechend wenig Erfreuliches.

Yann Sommer: Auch an Borussias Keeper geht die allgemeine Verunsicherung nicht spurlos vorbei. Er spielte einige Bälle unter Druck weitaus unpräziser nach vorne, als gewohnt. Bei den ersten beiden Gegentoren ohne große Eingriffsmöglichkeit, beim dritten Tor sah er zumindest nicht ganz glücklich aus. Einen ›Muss-Schuss‹ parierte er. Momentan sind die ›Kann-Chancen‹ der Gegner leider immer drin. Note 3,5.

Julian Korb: Hatte auf seiner rechten Seite einige Probleme mit dem agilen Ilicevic, der ihn einige Male stehen ließ bzw. beim Zug in die Mitte entwischte. Korbs Zweikampfbilanz (35%) war deutlich zu schwach. Im Spiel nach vorne für seine Verhältnisse aktiv und mit ein paar guten Ansätzen. Leider konnte er die Aktionen nicht zu Ende führen, wurde hektisch und verlor den Ball. Das Zusammenspiel mit Stindl war hölzern und unproduktiv. Note 4,0.

Martin Stranzl: Das lang erwartete Comeback des Kapitäns geriet zur tragischen Geschichte, die zum miesen Karma passt, das aktuell bei Borussia herrscht. Er startete mit einem kümmerlichen Pass, der Brouwers zu einer Grätsche nötigte. Kurz darauf wäre ihm fast ein Eigentor unterlaufen, als er in höchster Not klären wollte. Im weiteren Verlauf etwas gefestigter und mit einigen gelungenen Grätschen. Dass er so oft zu diesen Alles-oder-Nichts-Aktionen gezwungen war, zeugt von der schlechten Staffelung vor ihm. Sein Passspiel war solide. Musste dann nach dem Zusammenprall mit Nordtveit direkt ins Krankenhaus gebracht werden und fällt mit einem Bruch des Augenhöhlenbodens wieder wochenlang aus. Note 4,5.

Roel Brouwers: Bügelte zunächst per Grätsche den schwachen Pass von Stranzl aus. Ging dann an der Grundlinie in ein für ihn total untypisches Dribbling, welches er prompt verlor und das fast ein Eigentor von Stranzl zur Folge hatte. Brouwers wirkte ungewohnt flatterig, selbst wenn sein (Sicherheits-)Passspiel in Ordnung war. Wie er Jantschke vor dem 0:1 anspielte, war völlig okay. Dass einige Kommentatoren hier Brouwers ein Mitverschulden attestieren, ist Unfug. Absolut unerklärlich allerdings der Aussetzer vor dem 0:3, als sich Brouwers total verschätzte und dem HSV ein echtes ›Billig-Tor‹ schenkte. Wurde unmittelbar darauf ausgewechselt. Note 5,0.

Oscar Wendt: Hatte die meisten Ballkontakte auf Seiten der Gladbacher und zeigte im Offensivspiel zumindest die Entschlossenheit, mal etwas forcieren zu wollen. Ein paar Mal trieb er den Ball gut nach vorne, musste jedoch wieder abbrechen, weil niemand anspielbar war. Dazu streute er hier und da ärgerliche Fehlpässe ein. Schlug drei Flanken, die auf Hahn kurz nach der Pause war nicht schlecht. Im Spiel nach hinten mit dem schnellen Müller gefordert und nicht immer Sieger im direkten Duell. Insgesamt jedoch ohne einen wirklichen ›Bock‹. Note 4,0.

Håvard Nordtveit: Machte es im Rahmen seiner Möglichkeiten am Ball ganz ordentlich. Er ist kein Stratege und so waren seine Pässe bis auf einige gute öffnende Bälle auf die Seite reine Hausmannskost. Doch so hielt sich die Fehlerquote in Grenzen. Hatte vorne einen schwachen Freistoß aus der Distanz, ansonsten tauchte er nicht gefährlich am oder im gegnerischen Strafraum auf. In den Zweikämpfen mit der nötigen Robustheit, allerdings mit Problemen bei der Besetzung der Räume. Nordtveit und Jantschke wirkten alles andere als abgestimmt. Hatte Glück, dass er für ein taktisches Foul nicht Gelb sah. Beim 0:2 ließ er Lasogga den entscheidenden Schritt machen, weil er sich auf die falsche Seite verlegte. Nach der Verletzung von Stranzl spielte er die Partie als Innenverteidiger zu Ende. Note 4,5.

Tony Jantschke: Wurde unerwartet im defensiven Mittelfeld aufgeboten. Die ›Notlösung‹ entpuppte sich als schwerer Fehlgriff von Favre. Nicht allein wegen des fatalen Rückpasses von Jantschke, den Lasogga zum 0:1 nutzte, sondern auch darüber hinaus. Jantschke konnte dem Zentrum keine Stabilität verleihen, die Abstimmung mit Nordtveit funktionierte nicht. Zwar funkte er ein paar Mal beherzt dazwischen, aber solche Situationen können durch geschicktes Ablaufen und Stören bereits im Vorfeld vermieden werden. In der Spielgestaltung war Jantschke völlig überfordert. Zumeist war er für die Innenverteidiger zur Spielfortsetzung gar nicht anspielbar. Vorne mit einer guten Schusschance, doch es kam nur ein harmloser Roller dabei heraus. Sah Gelb für ein ›Hilfsfoul‹ an der Mittellinie. Nach dem 0:3 spielte er in der Innenverteidigung, wo er deutlich besser aufgehoben war. Note 5,0.

Lars Stindl: Dürfte sich in Gladbach so langsam aber sicher wie auf dem Verschiebebahnhof vorkommen. Im vierten Spiel auf der dritten Position eingesetzt, diesmal im rechten Mittelfeld. Ein Experiment, das komplett in die Hose ging. Stindl fand überhaupt keine Bindung, wirkte viel zu schwerfällig und hölzern für Einzelaktionen und leistete sich mehrere technische Fehler in der Ballan- und -mitnahme. Einmal kam er im Strafraum in günstige Abschlussposition, traf jedoch den Ball nicht. Danach schoss er kopflos, obwohl ein Gegenspieler direkt vor ihm stand. In der Rückwärtsbewegung fehlte ihm häufiger der Blick für Raum und Gegner, was Hamburg mehrfach nutzen konnte. Wurde nach dem 0:3 ausgewechselt. Note 5,0.

Thorgan Hazard: War der Offensivspieler mit den meisten Ballaktionen und nach einer verschlafenen Anfangsphase durchaus aktiv. Holte sich wiederholt die Bälle hinten ab, weil das Aufbauspiel stockte. Hazards Problem war die fehlende Ballfestigkeit. Trotz seiner feinen Technik ist er ein Leichtgewicht, das die humorlosen Hamburger fast immer problemlos vom Spielgerät trennen konnten. Die Ballverluste waren zu einfach, die Gegenwehr fast kindlich naiv. Schwach eine Ecke, die er zur anderen Eckfahne schlug und ein Freistoß zum Torwart. Perspektivisch gesehen kann Hazard aus solchen Partien lernen - und das muss er bei allem Talent noch eine ganze Menge. Note 4,0.

Raffael: Das Dilemma um Borussias Brasilianer wird immer größer. Er weiß, dass er unter Wert spielt, will unbedingt etwas forcieren und verkrampft dabei mehr und mehr. Gegen Hamburg verrannte er sich vielfach in von vorneherein aussichtslosen Dribblings. Weiterhin unwiderstehlich ist er auf den ersten Metern, doch dann ist Schluss. Auch weil keine Kombinationspartner da waren, rannte er auf gut Glück in die Abwehrspieler herein und blieb hängen. Und dennoch war er der einzige Borusse, der zumindest etwas spielerische Klasse ausstrahlte. Nach dem Ausfall von Stranzl und der Versetzung von Nordtveit in die Abwehrkette übernahm Raffael dessen Position als Sechser. Hier spielerisch-strategisch mit feinen Ansätzen, dafür sowohl im defensiven wie offensiven Zweikampf mit grauenvollen Ballverlusten. Note 4,5.

André Hahn: Gab sein Debüt als zentrale Spitze, wo er zumindest etwas Schwung und Enthusiasmus brachte. Bei allem Eifer wird das freilich erst dann richtig wertvoll, wenn insgesamt druckvoller nach vorne gespielt wird. Da das nicht der Fall war, wurde Hahn (bis auf den Kopfball nach Flanke von Wendt) nicht in Abschlussposition gebracht. Als Wand- oder Kombinationsspieler mit dem Rücken zum Tor ist Hahn nur bedingt zu gebrauchen, weil seine fußballerischen Grenzen eng gesteckt sind. Dennoch sind Hingabe und Bereitschaft in einer sonst so lethargisch wirkenden Mannschaft hervorzuheben. Nicht überraschend war es Hahn, der mit 12,48 Kilometern die größte Laufdistanz aller Gladbacher zurücklegte. Note 3,5.

Josip Drmić: Kam beim Stand von 0:3 in ein entschiedenes Spiel. Nahm zwei schwierige Zuspiele technisch fein an, konnte sich ansonsten nicht nachhaltig zeigen und blieb unauffällig. Ohne Note.

Ibrahima Traoré: Auch er kam erst nach dem 0:3, was eindeutig zu spät war. Traoré brachte Schwung und sorgte wenigstens etwas für Verwirrung bei den Hamburgern. Gab letztlich die meisten Gladbacher Torschüsse ab, doch nicht nur bei seinem Freistoß fehlte die Präzision. Ohne Note.

Mo Dahoud: Kam nach Stranzls Verletzung ins Spiel, zeigte sich und forderte den Ball. 37 Ballaktionen in 25 Minuten waren bemerkenswert. Fußballerisch ist Dahoud durchaus eine Bereicherung, im Defensivverhalten muss er zulegen. Das zeigte nicht nur der Ballverlust, in dessen Folge er bei der notwendigen Korrektur Gelb sah. Ohne Note.

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